Opernkritik

Staatsoper: Respekt für einen Wozzeck, der kämpfte!

Wiederaufnahme von Alban Bergs „Wozzeck“ in der Staatsoper: Johannes Martin Kränzle beeindruckt trotz Indisposition in der Titelpartie; Simon Stones Inszenierung hat ihre Meriten dort, wo sie sich vom kühlen Realismus löst.

Harnoncourt hatte recht mit seiner Knödeltheorie: Jeder Zuwachs an einer Stelle muss mit Rückgang irgendwo anders bezahlt werden. Das lässt sich nun ein Jahr nach der Premiere wieder an Simon Stones Inszenierung von Alban Bergs „Wozzeck“ beobachten. Stone versetzt die Geschichte ins heutige Wien, das soll die überzeitliche Dringlichkeit betonen. Es entlässt aber auch die Titelfigur aus dem untersten Ende der militärischen Hierarchie, macht Offiziere zu Polizisten, gewährt Marie eine respektable Wohnung und so weiter. Es geht also weniger um die Allerschwächsten in der Gesellschaft als um die Tatsache, wie schnell auch die noch halbwegs Etablierten abrutschen können. 

Immer weiter rotiert Bob Cousins Drehbühne, verwandelt sich dabei und bietet doch stets nur eine einzige Tür, einen einzigen Weg. Am stärksten ist die Inszenierung aber dort, wo sie gezielt ausbricht aus dem realistisch nüchternen, klinisch weiß gekachelten Laborambiente. Vor allem, wenn Wozzeck sich das Verhältnis zwischen Marie und dem Tambourmajor ausmalt: Dann taumelt er hinaus aus dem Schlafzimmer, wo die beiden sich vergnügen, nur um wieder im selben Schlafzimmer zu landen, und nochmals, und nochmals: Überall dieser gierige Sex, zu dem er selbst längst nicht mehr fähig ist...

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.