Randerscheinung

Der Sommerzeiteffekt

Carolina Frank
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Für einen notorischen Frühaufsteher wie mich bietet die jährliche Umstellung auf die Sommerzeit die Chance auf einen kleinen gesellschaftlichen Neuanfang.

Gleich an beiden Enden des Tages. Am Morgen wird aus halb fünf Uhr plötzlich halb sechs und aus mir wieder ein halbwegs akzeptiertes Mitglied der Gesellschaft. Weil frühes Aufstehen ohne Bäcker, Schichtarbeiter oder Hahn gilt als sozial auffällig. Will man keine irritierten Blicke ernten, spricht man besser gar nicht darüber. Und schreibt auch noch keine E-Mails. Langschläfer und Nachteulen müssen sich dagegen nicht erklären. In der Familie hat man sich inzwischen schon an das Geraschel im Morgengrauen gewöhnt. Wenn ich einmal „verschlafe“, kommt spätestens um sechs Uhr der Hund, um nachzuschauen, was eigentlich mit mir los ist.

Aber auch am anderen Ende des Tages ist der Frühaufsteher in einer schwierigen Situation. Spätestens ab 20 Uhr wird es nämlich biorhythmisch sowie energetisch eng. Ich bin nur mehr wenig gesprächig und stelle den Parteienverkehr gegenüber meiner Umwelt weitgehend ein. Dabei werden die meisten Menschen gerade erst so richtig munter. Zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass ich da oft schon über 16 Stunden wach bin.

Mit der Sommerzeit kann ich aber von einem Tag auf den anderen um 22 Uhr noch so tun, als wäre ich da eh immer auf. Eine Erfahrung aus dem Griechenland-Urlaub, die ich besonders mag. Bei Reisen Richtung Portugal kann ich dafür in der Früh im Hotel das Frühstück herräumen helfen und versäume fix das Abendessen. Bis zu den Osterferien wird der Sommerzeiteffekt bei mir anhalten. Richtig schlimm wird dann die Umstellung auf Winterzeit in ein paar Monaten. Da wird aus vier Uhr nämlich drei. Ich tue dann einfach so, als wäre ich „noch“ auf. 

("Die Presse Schaufenster" vom 17.03.23)

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