Geldpolitik

Bankmanager Andreas Treichl kritisiert zögerliche EZB

Die Presse/Clemens Fabry
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Die Zentralbank habe mit Zinserhöhungen zu lange gewartet und sei bei ihren Inflationsschätzungen "viel zu lange viel zu vorsichtig" gewesen.

Die Europäischen Zentralbank (EZB) habe zu lange mit Zinserhöhungen zugewartet, kritisierte Andreas Treichl, Aufsichtsratsvorsitzender der Erste Stiftung, die Geldpolitik der EZB am Samstag im "Journal zu Gast" auf Ö1. Dadurch leide die Bevölkerung nicht nur unter der hohen Inflation, sondern auch unter der Verlängerung der Periode an negativen Realzinsen. Diese reduziere das Vermögen der Mittelklasse seit weit über zehn Jahren.

"Ich glaube, dass die EZB über einen viel zu langen Zeitraum viel zu vorsichtig war mit ihren Inflationsschätzungen und keine Aktivitäten gesetzt hat", sagte der Bankmanager. "Hätte die EZB früher reagiert, wären wir jetzt in einer besseren Situation".

"Die Situation ist dramatisch"

"Wir haben in Europa in den Banken Haushaltseinlagen liegen von acht Billionen Euro. Bei fünf Prozent negativer Realverzinsung ist das ein Vermögensverlust von 400 Milliarden Euro pro Jahr", verdeutlichte der Bankmanager. "Die Situation ist dramatisch, darüber wird weder in der Politik geredet, noch in der Zentralbank".

Zu den Russland-Geschäften der Raiffeisen-Bank merkte Treichl an, dass es sehr viele Unternehmen in den unterschiedlichsten Branchen gäbe, die seit Jahrzehnten ein extrem gutes Geschäft mit Russland, aber auch mit der Ukraine und anderen ehemaligen Sowjet-Republiken gemacht hätten. Daher sei es verständlich, dass es Österreich mit den Russland-Sanktionen schwerer habe, als andere Länder.

Treichl glaubt nicht an drohende Finanzkrise

Dass mit dem Zusammenbruch der Silicon Valley Bank und der Rettung der Credit Suisse eine neue Finanzkrise drohen könne, glaubte Treichl nicht. Die Bankenaufsicht sei in Europa besser aufgestellt. Und es gäbe in Österreich keine Bank, die ein ähnliches Geschäftsmodell wie die Credit Suisse habe: "Ein sehr aggressives, sehr, sehr großes Investmentbanking, über den ganzen Globus verstreut. Dann ein lokales Retail-Geschäft, das sehr gut war, bei der Credit Suisse und eine Vermögensverwaltung, die auf Grund des wachsenden Misstrauens der Kunden in ihre eigene Bank einen massiven Abbau hat hinnehmen müssen", so Treichl. Es hätten viele Kunden ihr Geld abgezogen, da das Vertrauen verloren gegangen sei.

(APA)

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