Verfassungswidrig

Sima gegen "Österreich": VfGH macht Gegendarstellungen weniger riskant 

Ulli Sima kann aufatmen
Ulli Sima kann aufatmenDie Presse/Clemens Fabry
  • Drucken

Die Wiener Stadträtin hätte der Zeitung 236.000 Euro zahlen sollen, weil eine von ihr verlangte Gegendarstellung als unberechtigt erkannt wurde. Der Verfassungsgerichtshof hebt diese Regelung aber auf.

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) verringert das Risiko von zu Unrecht verlangten Gegendarstellungen. Den Anlass dazu bot eine Auseinandersetzung der Wiener Stadträtin Ulli Sima (SPÖ, damals für Umwelt und Stadtwerke, jetzt für Innovation, Stadtplanung, Mobilität) mit der Zeitung „Österreich". Für Gegendarstellungen in Print und online, die von der zweiten Instanz als unberechtigt erkannt worden waren, hätte Sima aufgrund des Mediengesetzes nicht weniger als 236.000 Euro zahlen sollen. 

Der Fall zeigt, dass das Mediengesetz mit solchen Ersatzansprüchen ein „nicht eingrenzbares Risiko" für Gegendarstellungswerber schafft. Deshalb hebt der VfGH die Regelung mit Ablauf des 30. Juni 2024 auf. Bloß Sima kommt die sogenannte Ergreiferprämie zugute, sodass einzig und allein für sie bereits die bereinigte Rechtslage ohne diese Ersatzpflicht gilt. Eine Neuregelung muss der Gesetzgeber erst schaffen.

Streit um Kosten für „Rauch-Sheriffs“ als Anlass

Der Streit war rund um das seit 1. November 2019 geltende absolute Rauchverbot in der Gastronomie entbrannt. „Österreich" malte damals unter Berufung auf einen FPÖ-Kandidaten für die Wirtschaftskammerwahl ein Horrorszenario an die Wand, wonach „Rauch-Sheriffs" pro Tag 24.000 Euro kosten würden. So teuer sei eine „Aktion scharf" der amtsführenden Stadträtin Sima.

Die Politikerin verlangte darauf die Gegendarstellungen, die auf Anordnung des Landesgerichts für Strafsachen Wien auch von „Österreich" und dessen Online-Ableger gebracht wurden. Das Oberlandesgericht kam jedoch auf Antrag des Mediums zur gegenteiligen Erkenntnis: Die Gegendarstellungen hätten nicht den strengen formalen und inhaltlichen Anforderungen des Mediengesetzes entsprochen. Also seien sie zu Unrecht angeordnet worden. Sima soll daher nicht nur die erfolgten Veröffentlichungen (einmal in Print und einen Monat lang online) nach Anzeigentarif bezahlen, sondern auch eine Mitteilung über deren unberechtigte Anordnung. Kosten der Einschaltungen: Die erwähnte Summe von 236.000 Euro.

„Nicht eingrenzbares finanzielles Risiko"

Wie der VfGH nun entschied, verstößt die entsprechende Bestimmung des Mediengesetzes gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung und auf Persönlichkeitsschutz. Denn wer das Recht auf Gegendarstellung einfordert, müsse „ein nicht eingrenzbares finanzielles Risiko eingehen", so der VfGH. Die Zahlung, die Sima hätte leisten müssen, wäre „unverhältnismäßig". Zwar sei es auch „wesentlich, Medieninhaber vor unzulässigem Zwang zu schützen, Inhalte Dritter zu veröffentlichen". Das könne aber auch sichergestellt werden, ohne dass die Zahlungsverpflichtung für letztlich unrechtmäßige Gegendarstellungen eine von vorneherein abschreckende Höhe erreiche, so der VfGH (G297/2022).

Detail am Rande: Nach dem Oberlandesgericht hatte noch der Oberste Gerichtshof über die umstrittenen Gegendarstellungen abgesprochen und die Entscheidung nochmals umgedreht. Aufgrund einer Nichtigkeitsbeschwerde der Generalprokuratur hatte er die Entscheidung des OLG als gesetzwidrig erkannt. Das war jedoch für Simas Ersatzpflicht noch folgenlos geblieben. 

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.