Arbeitszeit

Blauäugig in die Viertagewoche?

Ein Blick auf die Uhr: Es ist Arbeitszeit.
Ein Blick auf die Uhr: Es ist Arbeitszeit.imago/Westend61
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Eine Viertagewoche einzuführen, mag verlockend sein. Doch nicht immer entspricht sie den Wünschen der Mitarbeitenden und den Möglichkeiten eines Unternehmens. Wer sie als Employer-Branding-Maßnahme versteht, sollte genauer hinsehen.

Die einen schwören darauf. Andere überlegen noch, ob sie sich auf das Projekt Viertagewoche einlassen sollen, wieder andere haben es bereits für beendet erklärt. So wie die Handelskette Lidl das vor wenigen Tagen verlauten ließ. Zu kompliziert in der Umsetzung. Das teilte auch Motorradhersteller KTM kürzlich mit, der eine Testphase ebenso auslaufen ließ. Zu kompliziert, war auch dort die Erfahrung.

Doch unter welchen Umständen kann die Viertagewoche funktionieren? Klar ist: nicht jedes Unternehmen kann eine Viertagewoche umsetzen. Gründe dafür sind unter anderem Kosten, Fachkräftemangel oder organisatorische Herausforderungen, sagt Heinz Herczeg, lifeCREATOR Consultig. Er beleuchtet mit der Untersuchung „Jobselling Report 2023“ die Stimmung, Motivation und Erwartungen an Leben, Arbeit und Bildung der österreichischen Arbeitnehmenden. Und dort landen „Wünsche zur Erleichterung der Lebenssituation durch den Arbeitgeber“ unter den Top-5.

Problematisch ist die Konzentration der Arbeitszeit etwa, wenn die Servicequalität darunter leidet. Beispielsweise, wenn kurze Reaktionszeiten gefordert sind (Kundendienst, Pannendienst etc.) oder kontinuierliche Betreuung notwendig ist (Gastronomie, Pflege etc). Ebenso kann der informelle Austausch zwischen den Mitarbeitenden leiden, wenn weniger Puffer zwischen den zu erledigenden Aufgaben bleiben. Es müssen, sagt Herczeg, die Gründe für den Ruf nach einer Viertagewoche geklärt sein. Ein Fehler wäre, aus Panik die Arbeitszeit zu verkürzen, damit das eigene Unternehmen attraktiver wirkt, ohne vorher die Konsequenzen abzuleiten.

„Bei vollem Gehalt und gleichzeitiger Stundenreduzierung werden aus Vollzeitkräften Teilzeitkräfte. So stellt sich die Frage, wenn solche Regeln eingeführt werden, wird diese indirekte Gehaltserhöhung auch auf bestehende Teilzeitkräfte übertragen? Hier könnten massive Ungerechtigkeiten entstehen, die vorher abgeklärt werden müssen. Blind in eine Arbeitszeitverkürzung zu laufen, kann nach hinten losgehen“, sagt er.

Gleiche Produktivität bei weniger Arbeitszeit

Ein Testlauf in Großbritannien ergab, dass die Arbeitsleistung nicht mit der Arbeitszeit sinkt. Wenn Unternehmen nun von einer Steigerung der Produktivität berichten, stellt sich für Arbeitgeber die Frage, was die Arbeitnehmenden bisher in ihrer 40-Stunden-Woche getan haben. Ebenso bleibt offen, ob Mitarbeitende bei Bedarf an einem fünften Tag arbeiten dürfen, inwiefern diese als Überstunden gerechnet werden und ob das strategisch ausgenutzt werden würde.

In einigen Bereichen herrscht bereits jetzt großer Fachkräftemangel. Pflege, Kinderbetreuung oder Technik sind nur einige Beispiele dafür. Besonders in der Kinderbetreuung ist das Thema Arbeitszeitverkürzung ein zweischneidiges Schwert. Zwar hätten Eltern mehr Zeit, um sich selbst um ihre Kinder zu kümmern, sagt Herczeg. Andererseits würde Arbeitszeitverkürzung den Fachkräftemangel in Kindergärten, Schulen und Horten weiter verschlimmern.

Wünsche und Umsetzbarkeit hinterfragen

Unternehmen, die in Zukunft attraktiv für Mitarbeitende werden oder bleiben wollen, müssen Arbeit neu denken. Ob die Viertagewoche der Schlüssel zum Erfolg ist, ist fraglich. Frauen mit Betreuungspflichten sei laut Herczeg beispielsweise Flexibilität weit wichtiger als eine Arbeitszeitverkürzung. Iris Kunrath, Head of Customer Relations & Senior Culture Coach bei Great Place to Work, sagt: „Wir haben Unternehmen, die sagen, ich habe so viele individuelle Arbeitszeitmodelle wie ich Mitarbeitende habe.“ Silvia Graf, HR-Managerin bei Neudörfler Büromöbel, bestärkt diesen Ansatz: „Die Viertagewoche klingt im ersten Moment perfekt, bei näherem Hinsehen kann sie aber auch ihre Tücken haben. Unter den längeren Arbeitstagen kann die Flexibilität leiden, die vielen immer wichtiger wird. Jede Person hat andere Ansprüche an Arbeitszeiten – die Viertagewoche kann für einige eine einschränkende Wirkung haben. Deshalb ist es besonders wichtig, auch Flexibilität der Arbeitstage zuzulassen und die 4-Tage-Woche auf freiwilliger Basis zu leben.“

Die Einführung einer Viertagewoche habe laut der Expertin aber auch mehrere positive Auswirkungen, die unmittelbar festgestellt werden können. „Vor allem die Attraktivität als Arbeitgeber sticht hier hervor. Mitarbeitende erleben eine positive Auswirkung auf ihre (psychische) Gesundheit und ihre Work-Life-Balance und sind auch während ihrer Arbeitszeit produktiver. Bei Neudoerfler machen wir sehr positive Erfahrungen mit der 4,5-Tage-Woche“, ergänzt Graf.

(red/mhk)

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