Konzertkritik

Salzburger Osterfestspiele: Leipziger Bach aus zweiter Hand

Andris Nelson, noch bei den Proben.
Andris Nelson, noch bei den Proben.IMAGO/Ernst Wukits
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Andris Nelsons und sein Gewandhausorchester beendeten ihre Residenz bei den Salzburger Osterfestspielen solide. Die Sehnsucht nach Besonderem wurde nicht erfüllt.

Die Strahlkraft des Leipziger Thomaskantors Johann Sebastian Bach war der rote Faden im dritten Konzertprogramm der Osterfestspiele. Das Gewandhausorchester hatte dafür in seiner Geschichte geschürft: 1838 eröffnete sein Kapellmeister Felix Mendelssohn seine Reihe „Historischer Concerte“ mit Bachs dritte Orchestersuite in D-Dur. Allerdings in eigener Spielfassung, deren Orchestermaterial nun für Salzburg ausgegraben wurde. Man hörte hübsch aufgeräumten Bach, mit züchtigen Pauken und Trompeten, mit allerliebsten Trillern in den Violinen garniert und von Andris Nelsons und seinen Musikern in wohltemperiertem Temperament serviert. Da durfte auch die berühmte „Air“ mit glattgehobeltem Streicherwohlklang einlullen, wobei es Nelsons nicht übertrieb.

Eine hübsche Idee, sich so in die Mendelssohn-Zeit zurückversetzen zu wollen. Doch lief die Absicht doch etwas ins Leere. Wenn schon Bach durch Mendelssohns Brille, dann wäre das auf historischem Instrumentarium aus dessen Zeit interessant gewesen. Mit einem modernen Orchester gerät die Sache näher zum Wunschkonzert als zur Reminiszenz an die Gewandhaus-Vorzeit.

Bach-Reminiszenen aus dem Cello

Dass man sich an Bachs Musik unerschöpflich abarbeiten kann, bewies danach Thierry Eschaich mit „Le chant de L'aube“, seinem zweiten Cellokonzert. Er beliefert derzeit die großen Symphonieorchester offenbar im Akkord mit neuer, publikumsfreundlich konfektionierter Ware. Sein Cellokonzert – ein Auftrag von Gewandhausorchester und Boston Symphonie Orchestra, wo Nelsons eine zweite Chefposition hält – wurde erst im März in Leipzig uraufgeführt. Jetzt ließ in Salzburg Renaud Capuçon aus seinem Cello wohlige Bach-Reminiszenzen steigen, mit denen auch das Orchester spielen darf. Eine Solokadenz verbindet das mit einem süffig bis anämisch fließenden zweiten Satz, bis eine zweite Kadenz in den dritten springt. Hier befeuert Schlagwerk samt Tamtam das in kleinen, pulsierend repetierten Notenfiguren tanzende Finale. All das erinnert stark an das kürzlich in Prag vorgestellte Klavierkonzert von Eschaich.

Überzeugender wusste Schumann in seiner zweiten Symphonie Bach zu integrieren, als er im langsamen Satz aufs „Musikalische Opfer“ zurückgriff. Die 1846 von den Leipzigern unter Mendelssohn uraufgeführte Symphonie ist immer noch gut in der Gewandhaus-DNA verankert. Auch Nelsons schwang sich hier zu lebendigen Tempi auf und ließ fein musizieren und ziselieren. Doch gerade das flinke Scherzo zeigte Mängel der Streicher in Sachen Intonation und Präzision, auch der Gesamtklang der Leipziger kam über solide Norm selten hinaus.

Alles in allem ein stimmiges, ein gutes Konzert. Dass man das Publikum danach über den im Vorjahr aus Salzburg verabschiedeten Christian Thielemann schwärmen hörte, zeigt wohl die Sehnsucht nach dem Besonderen.

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