Wird es auf den Bergen wärmer? Nein!

Wird Bergen waermer Nein
Wird Bergen waermer Nein(c) AP (Karel Navarro)
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Messungen widersprechen Modellen, wonach die Erwärmung hoch oben stärker ausfällt. Global war 2010 – je nach Berechnungen – das wärmste oder drittwärmste Jahr.

Wien/Red/Jl/Stög. War das abgelaufene Jahr 2010 in Österreich zu kalt oder zu warm? Das lässt sich, erklären die Klimaexperten der Hohen Warte in Wien, nicht ganz so einfach sagen. Denn es gibt unterschiedliche Berechnungsarten. Die Messungen allerdings sind klar: „2010 war mit +0,51 Grad Celsius in Österreich mäßig zu warm im Vergleich zur Normalperiode der UN-Organisation für Meteorologie (WMO)“, erklärt Reinhard Böhm, Klimaforscher an der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik.

In tiefen Lagen Österreichs nimmt die Temperatur von 2010 Rang 41 von 263 beobachteten Jahren ein. In den Bergen kommt das abgelaufene Jahr auf Rang 66 von gemessenen 160 Jahren. „Dass es bei uns nicht besonders warm war“, erläutert Böhm, „ändert nichts daran, dass wir langfristig auf hohem Niveau sind.“

Böhm stellte einen interessanten Trend fest: In Österreich waren in allen Höhenlagen fünf Monate der kalten Jahreszeit (Jänner, Februar, September, Oktober, Dezember) zu kalt. In den hochalpinen Stationen war es um 0,08 Grad Celsius zu kühl im Vergleich zur WMO-Normalperiode 1961 bis 1990. Das passt nicht zu den gängigen Modellen, wonach es auf den Bergen mehr Erwärmung gibt als in den Tälern. „Wir merken davon nichts. Es deutet jedenfalls auf Schwierigkeiten bei den regionalen Klimaprognosen hin. Hier gibt es durchaus Forschungsbedarf“, erläutert Böhm. Betrachtet man wieder das gesamte Österreich, war der Juli mit +3 Grad Celsius der Monat mit der größten positiven Abweichung (siehe Grafik unten).Der als kalt empfundene Dezember hatte eine Abweichung von –3 Grad auf den Bergen und –1,5 Grad in tiefen Lagen.

Dass viele Österreicher das Jahr 2010 als kalt empfunden haben, erklärt Klimaexperte Böhm folgendermaßen: „Seit den 1990er Jahren haben wir in Österreich – mit einer Ausnahme 1996 – im Vergleich zum Mittel 1961 bis 1990 ausschließlich zu warme Jahre erlebt. Das Jahr 2010 lag nun etwa 0,6 Grad unter dem österreichischen Temperaturniveau der vergangenen 20 Jahre. Dadurch entstand der zu kalte Eindruck.“

„Streit um des Kaisers Bart“

Geht man weg vom Klima in Österreich und betrachtet das globale Klima, kommt die WMO zum Schluss, das vergangene Jahr sei das wärmste in der gemessenen Geschichte gewesen. Andere Klimaforscher rechnen anders, etwa die CRU (Climate Research Unit der Universität Norwich, Großbritannien), mit der die Hohe Warte eng zusammenarbeitet. Sie verwendet ausschließlich Land- und Seemessstationen (keine Satelliten wie die WMO) und reiht 2010 auf den dritten Rang in der 161-jährigen Messreihe. Böhm: „Ob es durch die unterschiedlichen Berechnungsmethoden nun das wärmste oder drittwärmste Jahr war – es ist ein Streit um des Kaisers Bart. Eine globale Temperatur der Erde gibt es nicht, dennoch ist eines klar: Der Trend der globalen Erwärmung ist ungebrochen.“

Größere Abweichungen als in Österreich gab es 2010 im hohen Norden. In Teilen Norwegens erlebten Bewohner mit einer Abweichung von –2 Grad Celsius das kälteste Jahr seit 1979. An der kanadischen Hudson Bay lag die Durchschnittstemperatur wiederum teils vier Grad über dem Mittel.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.01.2011)

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