Für Adolf Holl war Franz von Assisi „Der letzte Christ“. Eine Lehre aus Holls Werk, das erstmals 1979 erschien, lautet: Christsein heute, im Sinne Assisis, endet vor dem Psychiater – oder dem Nobelpreiskomitee.
Adolf Holl sympathisierte nicht besonders mit der heutigen Charity-Kultur. Half er Menschen in ihrer Not, waren das Personen, die er persönlich kannte. Diese unterstützte er, gemessen an seinen eigenen eher bescheidenen Verhältnissen, großzügig aus seinem christlichen Herzen heraus. Kein Zweifel, Holl identifizierte sich, aus gebührendem Abstand und Respekt, mit Franz von Assisi. Sein Buch über den Heiligen, der aus innerer religiöser Überzeugung die Armut wählte, betitelte Holl mit „Der letzte Christ“. Assisi, Begründer der Franziskaner, des „Ordens der Minderbrüder“, starb 1226. Wo sind seither die Christen geblieben? Das ist die polemische Grundfrage, die sich aus dem Titel ergibt. Holls Antwort darauf lautet, dass es dem Christenmenschen um die Nachfolge Christi geht, die Franz von Assisi zu leben versuchte und im Ansatz auch zu existieren vermochte.
Als ich einmal bei Adolf Holl zu Besuch war, fragte ich ihn, wie es unter dieser Voraussetzung Jesu erginge, wenn er wieder auf Erden wandeln sollte. Bei Dostojewski, in dessen Großinquisitor-Episode der „Brüder Karamasow“, soll der wiedergekommene Jesus beiseitegeschafft werden, weil sein bloßer Vorbeigang die Menschen mit einer abgrundtiefen Liebe erfüllte und damit mit einer unwiderstehlichen Hinneigung zu einem Leben in Armut und christlicher Caritas. Auf meine Frage hin kramte Holl eine Zeit lang in seinen wohlgeordneten Mappen, um mir die Ausgabe einer Zeitschrift zu überreichen, worin eine einschlägige Bildergeschichte über Jesus enthalten war.