Bruno Kreisky, der Vater des sündigen Gedankens

Im Schuldenmachen war Bruno Kreisky ausgesprochen gut. Aber lange nicht so gut wie seine Nachfolger, die das „Erbe“ des großen Bruno deutlich mehrten.

Und wenn mich einer fragt, wie denn das mit den Schulden ist, dann sage ich ihm das, was ich immer wieder sage: dass mir ein paar Milliarden Schulden weniger schlaflose Nächte bereiten, als mir ein paar hunderttausend Arbeitslose mehr bereiten würden.“ So lautet das Zitat im Original, mit dem sich Bruno Kreisky in den 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts in die Herzen der Österreicher murmelte. Es war wohl auch genau das, was die verängstigten Bürger von ihrem geliebten Kanzler hören wollten.

Die Losung „Wir halten hunderttausende Menschen mit ein paar läppischen Staatsschulden in Arbeit“ hatte nicht nur etwas Soziales und Menschliches an sich. Sie symbolisierte gewissermaßen auch Österreichs Weg in die neue Zeit. Wurde von den kleinlichen Konservativen noch gespart, was das Zeug hielt, zeigte sich der moderne Kreisky (mit dem Geld anderer) großzügig, wofür ihn seine Bewunderer noch heute wie eine gottähnliche Figur verehren. Obwohl sie wissen, dass Österreich nach nur wenigen Jahren der ungestörten Nachtruhe bereits beides hatte: prall gefüllte Arbeitsämter und hohe Schulden.

Als sich der große Bruno Kreisky 1983 ins sonnige Mallorca verabschiedete, ließ er in seiner Heimat 400 Milliarden Schilling an Staatsschulden zurück. Womit die Verbindlichkeiten der Republik Österreich in nur 13 Jahren der Kreisky'schen Alleinherrschaft verzehnfacht wurden. Mit einschneidenden Konsequenzen: Ein Drittel der Nettosteuereinnahmen musste allein für den Schuldendienst bereitgestellt werden.

Und dennoch wäre es in höchstem Maße ungerecht, weil sachlich falsch, Kreisky allein die desaströse Entwicklung der österreichischen Staatsfinanzen umzuhängen. Die ganz großen Schuldenpartys wurden nämlich erst nach seinem Abgang geschmissen. Vor allem zwischen 1986 und 1999, als sich die Große Koalition aus SPÖ und ÖVP wieder einmal daranmachte, die großen Lösungen des Landes zu problematisieren. In diesen 13 Jahren wurden weitere 1000 Milliarden Schilling an neuen Schulden angehäuft – und das in einer Phase der Hochkonjunktur.

Bruno Kreisky ist aber ohne Zweifel der geistige Ziehvater jenes staatlichen Pyramidenspiels, dem seine politischen Nachfolger noch heute verfallen sind. Seit 40 Jahren werden permanent steigende Steuereinnahmen und immer höhere Staatsschulden vorrangig dazu verwendet, jene Löcher zu stopfen, die von der Unfinanzierbarkeit politischer Versprechen gerissen werden. Grundeinkommen für alle, systematische Frühpensionierung hunderttausender Arbeitnehmer, großzügige Lohnrunden für Beamte, Abdeckung horrender Verluste einer heillos überdimensionierten Staatsbahn, Gratiskindergarten und gebührenfreies Langzeitstudium, die exzessive Subventionierung der Landwirtschaft – der Staat macht's möglich, mit Geld, das er nicht hat.


Nun ist Kreisky nicht abzusprechen, zumindest einen Plan gehabt zu haben, dieses Land nachhaltig zu verändern. Das ist Kreisky (wie immer man zu ihm auch stehen mag) zweifellos gelungen. Wenngleich sich aus wirtschaftlicher Sicht nur eine Innovation als wirklich segensreich erwiesen hat: die Einführung der Hartwährungspolitik. Wurden in anderen Ländern verkrustete Strukturen mit immer neuen Abwertungen einbetoniert, bekam Österreichs Industrie mit der Anbindung des Schilling an die D-Mark die schmerzhafte Produktivitätspeitsche zu spüren. Der harte Schilling forderte von den Unternehmen eine permanent steigende Produktivität und Qualität, wollten sie auf den Weltmärkten gegen konkurrenzlose Billiganbieter bestehen. Sehr zum Wohle der Wirtschaft, wie sich noch heute zeigt.

Es ist schon fast eine Ironie der Geschichte, dass die Hartwährungspolitik nicht von Kreisky eingeführt wurde, sondern gegen seinen erbitterten Widerstand. Sein Finanzminister, Hannes Androsch, war es, der die Sache mit roten Experten aus der OeNB und führenden Gewerkschaftern durchdrückte. Kreisky hatte ja auch immer eingeräumt, von der Wirtschaft nichts zu verstehen. Vielleicht hatte er gerade deshalb einen guten Schlaf. Wofür das Land noch lange bezahlen wird.

E-Mails an: franz.schellhorn@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.01.2011)

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