Die SPÖ-Parteichefin agiert wie die Violinisten an Deck der sinkenden Titanic: Sie schaut zu und hofft auf ein Wunder.
Ob Pamela Rendi-Wagner ein Faible für klassische Musik hat, ist nicht überliefert. Sie und ihr Team erinnern in diesen Tagen jedenfalls an die Streicher, die mit ihrem Spiel im Hollywood'schen Titanic-Drama bis zum letzten Moment Normalität vermitteln wollen. Sie plant „business as usual“ und hofft auf sinkende Wogen. Doch den Eisberg hat sie längst gerammt.
Das lässt sich an zwei kapitalen Fehlern festmachen, die sie zuletzt begangen hat. Ein halb leerer SPÖ-Klub im Parlament irritierte über die Landesgrenzen hinaus. Erklärungsversuche der Mandatare, die dabei teils verschwörungstheoretische Vorwürfe gegen Selenskij äußerten, noch mehr. Gegipfelt hat das mehrtägige Theater nun im Rücktritt des Schwechater SPÖ-Stadtparteichefs, von dem Fotos in NKWD-Uniform (Uniform des Innenministeriums in der UdSSR, Anm.) kursierten. Dass die Debatte um die Russland-Position der SPÖ derart eskaliert ist, hat Rendi-Wagner selbst verschuldet, weil eine klare Linie fehlte. Eine solche fehlt auch für ihren Kampf um die SPÖ-Führung. In diesem erstaunt sie ebenfalls mit absoluter Zurückhaltung. Von Offensive oder gar Aufbruchstimmung keine Spur, sie setzt lieber auf ihren Amtsbonus und will das Spektakel elegant aussitzen.
Während also ihre verhaltensauffälligen Widersacher derzeit mit PR-Videos ein „Wir gegen die da oben“-Narrativ inszenieren oder mit prominenten Parteisympathieträgern für sich werben, hört man von der Parteivorsitzenden: rein gar nichts.
Die Elfmeter, die sie dabei auslässt, sind zahlreich. Andi Bablers eigene Position zu Russland wäre genauso eine Debatte wert wie die Frage, ob Hans Peter Doskozil auch den Corona-Populismus der FPÖ mitmachen würde - immerhin beging sein Unterstützer David Egger in der Panik vor der Salzburg-Wahl den Sündenfall, ebenfalls die Rückzahlung von Corona-Strafen zu fordern. In dieser Kakofonie von Skurrilitäten könnte Rendi-Wagner eine Stimme der Vernunft sein. Die scheint sie aber gänzlich verloren zu haben. Die erste Geige in der SPÖ spielt sie so bald auch nicht mehr.