Gastbeitrag

Gegenreformation der konventionellen Landwirtschaft

Biologische Landwirtschaft hat Vorteile für Mensch, Tierwohl und die Umwelt.

Der Autor

Zeno Piatti-Fünfkirchen, MMSc (*1989) ist Agrar- und Umweltökonom, Landwirt und Obmann der Arge Agroforst.

Regelmäßig erfahren wir von neuen Studien über den ökologischen Mehrwert der biologischen Landwirtschaft. Dabei lässt Kritik an diesen Studien durch die konventionelle Landwirtschaft nicht lang auf sich warten. Die Kritik reduziert sich meistens auf Folgendes: Bio benötigt mehr Fläche, um den konventionellen Ertrag zu erreichen, und erzeugt Druck auf nicht landwirtschaftliche Flächen, die in Agrarland umgewandelt werden müssten. Intensive Landwirtschaft hingegen könnte Agrarland für Umweltschutz freigeben und unsere Ernährung sicherstellen. Diese Argumentationslinie klingt logisch, enthält aber einige Kurzschlüsse:

Landwirte produzieren nicht, um den globalen Hunger zu stillen, sondern um ein Einkommen zu erwirtschaften. Wäre das nicht der Fall, hätten Lebensmittel keinen Preis und könnten einfach an Hungernde verteilt werden.

Schon aktuell gibt es genug Nahrung, um die Weltbevölkerung ausreichend zu versorgen. Das gelingt aber nicht, weil diese für viele nicht leistbar ist. Das heißt, die Verteilung von Lebensmitteln funktioniert nicht. Dies wird besonders durch den Fakt deutlich, dass es mehr übergewichtige als hungernde Menschen gibt. Ein hohes Angebot durch Überproduktion führt zu niedrigeren Preisen auf dem Weltmarkt. Es stellt sich dann die Frage: Wie viele Lebensmittel müssten wir zu viel produzieren, damit der Preis so gering ist, dass es keinen Hunger mehr gibt?

Das Beispiel Sri Lanka

Bio hat einen Minderertrag. Dass ein stetiges Wachstum an Bioflächen ein Treiber für den Welthunger bedeutet, ist nicht belegbar. Häufig wird Sri Lanka als Beispiel für diese Gefahr genannt, da dieses Land durch eine Zwangsumstellung der Landwirtschaft auf Bio in eine Hungerkrise manövriert wurde. Biologische Landwirtschaft erfordert jedoch viel Wissen und Erfahrung. Landwirte zur Bio-Umstellung zu zwingen, ohne dass diese eine Ahnung davon haben, kann nie gut ausgehen. Gleichzeitig stellt Bio häufig eine Chance zur Ertragssteigerung dar. Beispielsweise liegen trotz des synthetischen Dünge- und Pestizideinsatzes in einigen Gegenden in Ostafrika Getreideerträge bei 1000 kg/ha. Bio-Ansätze könnten diese Erträge verdoppeln und Kosten senken.

Hanebüchene Vorhersagen

Der dritte Kurzschluss ist die Vorstellung, global bestimmen zu können, wie viele Lebensmittel wo zu produzieren sind. Es gibt keine globale Organisation, die das kann. Somit kann man aktuell auch nicht sagen: Wir produzieren nur so viel, wie wir brauchen, und auf dem Rest der Fläche machen wir Umweltschutz.

Der Regenwald wird so lang abgeholzt, bis der Profit durch Rodung und Landwirtschaft geringer ist als der Erhalt des Waldes. Das hängt auch mit dem Sojahunger der europäischen Fleischindustrie zusammen, aber nicht mit Bio.

Darüber hinaus ist die Vorstellung absurd, dass die Länder im Norden den Süden zwingen, die Produktion auf ein Minimum zu reduzieren und ihre Bedürfnisse aus den Überschüssen des Nordens zu decken.

Bio birgt Vorteile für Mensch, Tierwohl und Umwelt. Diese Leistungen haben jedoch den Preis des Minderertrags. Die Vorhersagen der konventionellen Landwirtschaft, dass Bio durch den Minderertrag Artenvielfalt zerstört, Hunger auslöst und den Klimawandel befeuert, sind hanebüchen. Diese Gegenreformation, sich als ökologischere Form der Landwirtschaft darzustellen, bezweckt eine Imagekorrektur. Umso wichtiger ist, dass sich die Gesellschaft der Trugschlüsse bewusst wird und Besserungen der Rahmenbedingungen für den Bio-Landbau einfordert.


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("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.04.2023)

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