Leitartikel

Emmanuel Macron, Europas entzauberter Reformer

Emmanuel Macron, entzaubert.
Emmanuel Macron, entzaubert.(c) AFP
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Mit seinem Egotrip nach Peking hat Frankreichs Präsident seine Kritiker bestätigt. Nach sechs Jahren klingen seine Oden an Europa zynisch und falsch.

„Ich bin gekommen, um zu Ihnen über Europa zu sprechen.“ Der erste Satz von Emmanuel Macrons Grundsatzrede am 26. September 2017 an der Universität Sorbonne in Paris ließ vielerorts in Europa Hoffnung keimen. Endlich, nach einem vergeudeten Jahrzehnt, in dem weder Nicolas Sarkozy noch François Hollande auch nur irgendetwas Sinnvolles zu Europa eingefallen wäre, ist da ein französischer Präsident, der die Union und ihre Zukunft in den Mittelpunkt seines politischen Denkens und Tuns stellt.

Der junge Reformer kam in allerhöchster Not. Denn das europäische Einigungswerk war schwer baufällig geworden. Die Briten hatten soeben beschlossen, Abschied zu nehmen. Die Osterweiterung war mehr als ein Jahrzehnt nach ihrem Vollzug noch immer nicht gänzlich verdaut, sie hatte vielmehr tiefe weltanschauliche Risse und gegenseitiges Unverständnis zwischen Ost- und Westeuropäern zutage gelegt. Die Versuche, eine Handvoll winziger Balkanstaaten aufzunehmen oder wenigstens mit viel Geld und gutem Zureden zu stabilisieren, verliefen im Sand. Und die Nachwehen der Großen Rezession sowie die unausweichliche, aber rabiate Rosskur in Griechenland und anderen Mittelmeerstaaten der Eurozone hatten latente Nord-Süd-Ressentiments vertieft. Eine gemeinsame Sicherheitspolitik? Fehlanzeige. Und am anderen Ufer des Atlantiks amtierte nun ein US-Präsident, der die EU bereits ausdrücklich als Feind bezeichnet hatte.

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