Tunesien: Übergangs-Premier kündigt Rückzug an

A man waves as he walks past graffiti reading  long live liberty, Friday, Jan. 21. 2011in central T
A man waves as he walks past graffiti reading long live liberty, Friday, Jan. 21. 2011in central T(c) AP (Christophe Ena)
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In Tunesien hat eine dreitägige Staatstrauer für die Opfer des Volksaufstandes begonnen. So bald wie möglich soll es Wahlen geben - der derzeitige Premier will sich dann zurückziehen.

In Tunesien hat am Freitag eine dreitägige Staatstrauer für die Opfer des Volksaufstands der vergangenen Wochen begonnen. Während in der Hauptstadt Tunis wieder mehrere hundert Menschen gegen die Regierung demonstrieren, In einem Fernsehinterview erklärte Übergangs-Ministerpräsident Mohamed Ghannouchi an, dass er sich nach den so rasch wie möglich abzuhaltenden Parlaments- und Präsidentschaftswahlen von der Macht zurückziehen werde.

In der Umgebung des von Sicherheitskräften abgeriegelten Innenministeriums kommt es seit einer Woche fast täglich zu Protestaktionen gegen die Übergangsregierung. Die Demonstranten protestieren dagegen, dass dem neuen Kabinett ehemalige Vertraute des gestürzten Präsidenten Zine el Abidine Ben Ali angehören.

Übergangs-Premier war Ben-Ali-Verbündeter

In einem Fernsehinterview erklärte Ghannouchi, dass er sich nach einer Phase des Übergangs von der Macht zurückziehen werde. In dieser Phase gehe es darum, der Bevölkerung sobald wie möglich Parlaments- und Präsidentschaftswahlen zu bringen, sagte der Ministerpräsident, der ein enger Verbündeter Ben Alis war. Seine Rolle bestehe darin, dem Land in der jetzigen Situation zu helfen, anschließend wolle er die Politik verlassen. Ghannouchi nannte keine Gründe für seinen Rückzug, auch sagte er nicht, wann die Wahlen abgehalten werden sollen.

Im ganzen Land wehten die Flaggen am Freitag auf halbmast, im Staatsfernsehen wurden Koranverse rezitiert. Auch die Stimmung während der Demonstration am Freitag war fast feierlich. Viele Teilnehmer trugen Luftballons bei sich. Einer der Demonstranten, Omar Shabani, sagte, die Stimmung im Land ähnele der von 1987, als Ben Ali mit einem unblutigen Coup die Macht übernommen hatte. "1987 war ich 23, und heute fühle ich mich wieder wie 23", sagte der Wirtschaftsprüfer. "Mit dieser Revolution ist meine Jugend zurückgekehrt." Einige Demonstranten bezogen sich auf Plakaten auf den Slogan "Yes, we can" von US-Präsident Barack Obama und erklärten: "Sie haben gesagt: 'Wir können es', die Tunesier sagen: 'Wir tun es!'."

Mindestens 78 Tote

Nach Angaben des Innenministeriums waren bei den wochenlangen Protesten, die zum Sturz Ben Alis führten, 78 Zivilpersonen ums Leben gekommen. Die Opposition geht einer wesentlich höheren Opferzahl aus. Zahlreiche weitere Menschen wurden verletzt.

Der neue Präsident der tunesischen Zentralbank, Mustapha Kamel Nabli, bestritt am Freitag, dass ein Teil des Goldbestands in den letzten Tagen der Herrschaft Ben Alis verschwunden sei. "Es gab keine Veränderung in unserem Goldbestand und sein Gewicht ist seit Jahren dasselbe geblieben", sagte er. Tunesien verfüge über 5,3 Tonnen des Edelmetalls in seinen eigenen Tresoren und über weitere 1,397 Tonnen bei der Bank of England. Sein Vorgänger war zurückgetreten, nachdem es Gerüchte gegeben hatte, dass die Ehefrau Ben Alis mit einem großen Teil des Goldes geflohen sei.

(Ag.)

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