Chilifarm: Scharfes aus dem Mostviertel

Chilifarm Scharfes Mostviertel
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Das Nachtschattengewächs Chili wächst nicht nur in heißen Regionen, sondern auch in Niederösterreich, auf Richi's Chilifarm. Farmer Richard Gattermann will dank wachsender Nachfrage expandieren.

Das hat der Schwiegervater nun davon. Zuerst stellt er dem Schwiegersohn ein Stück vom Kartoffelacker zur Verfügung, damit er „ein bisschen mit Gemüse spielen kann“. Zwei Jahre später kann sich der Hobby-Kartoffelbauer ein neues Hobby suchen. Denn der Schwiegersohn, Richard Gattermann, ist mit seinem Chili-Experiment derart erfolgreich, dass expandiert werden muss. Auf Richi's Chilifarm im Mostviertel wachsen nun in erster Linie Chilis sowie Paprika und Tomaten, die für die hauseigenen Chili-Saucen verwendet werden. Kartoffeln gibt es nur noch am Rand der 3000 Quadratmeter großen Farm in Ruprechtshofen.

„Ich habe schon immer gern scharf gegessen. 2007 habe ich zum ersten Mal probiert, Chilis anzubauen“, sagt Gattermann, der Ernährungswissenschaften studiert hat und derzeit Teilzeit im Agrarmarketing arbeitet. 2009 begann er, Chilis zu Saucen zu verarbeiten. Im Vorjahr hat er bereits 800 Pflanzen angebaut. „Heuer sollen es schon 4000 werden, um der Nachfrage gerecht zu werden.“


Virtuelle Freunde. Wie so oft bei Ein-Personen-Betrieben, war der Freundeskreis auch bei Gattermann an der Entstehungsgeschichte der Chili-Farm nicht ganz unbeteiligt. Wobei es sich dabei vorerst um eine virtuelle Version handelte. „Im November 2009 habe ich Facebook für mich entdeckt und begonnen, zu alten Freunden wieder Kontakt aufzunehmen.“ Und bei den anschließenden freundschaftlichen Treffen war nicht selten ein Fläschchen Chili-Sauce als kleines Mitbringsel mit im Gepäck. Das kam offensichtlich gut an. Gattermann erweiterte sein Sortiment und bietet derzeit zehn verschiedene Saucen in den Kategorien Sortenrein, Spezialitäten oder Gewürzsaucen an. Da gibt es etwa eine Gewürzsauce Curry, eine Most4tel Hot-Sauce oder die sortenreine Bhut Jolokia Hot-Sauce. Letztere ist nur etwas für hartgesottene Chili-Fans, ihr Ausgangsmaterial wurde 2006 als schärfster Chili der Welt ins Guinness-Buch der Rekorde aufgenommen.

140 verschiedene Chili-Sorten baut Gattermann derzeit an. Befreundete Reiseleiter bringen ihm Samen aus aller Welt. „Die wissen aber oft nicht, was das ist. Ich baue sie an und recherchiere im Internet, was das für eine Pflanze ist“, erklärt der Jungunternehmer. Damit die zarten Pflanzen im Mostviertel überhaupt wachsen könne, hat Gattermann eine Art Glashaus gebaut. Geerntet wird im Sommer, der Freundeskreis hilft dabei. Die Saucen werden im Keller produziert – natürlich nicht ohne Mundschutz und Handschuhe.

Öl und Bier lindern Schmerz. Überhaupt hat der Chili-Spezialist auch ein paar Tipps parat, wenn es einmal zu viel des Guten ist. „Fett- und alkoholhaltige Produkte helfen, wenn es zu scharf ist, also Milch, Käse, Butter oder ein kühles Bier.“ Sollten irgendwelche Körperstellen nach der Chili-Verarbeitung mit ungeschützten oder ungewaschenen Händen in Berührung kommen, hilft Einreiben mit Alkohol oder – bei empfindlichen Stellen – Speiseöl.

Wasser zu trinken wäre also das Falsche, da der für die Schärfe zuständige Bestandteil Capsaicin zwar alkohol- und fettlöslich, aber eben nicht wasserlöslich ist. Dieser „Scharfmacher“ ist auch für die Wärmeentwicklung zuständig, weshalb sich dieser Inhaltsstoff in Wärmepflastern und -salben findet.

Gemessen wird der Capsaicin-Gehalt in Scoville-Grad. „Damit wird angegeben, wie viele Tropfen Wasser man braucht, um einen Tropfen Chili-Sauce zu neutralisieren.“ Beim gewöhnlichen Paprika liegt dieser bei null, bei der berühmten Bhut Jolokia bei über 500.000. Gattermann verwendet für seine Produkte allerdings eine vereinfachte Schärfeskala von null bis zehn. Warum manche Menschen schärfeempfindlicher sind als andere, erklärt sich der Ernährungswissenschaftler mit der Gewöhnung. „Man kann scharf essen trainieren.“

Gattermann will das mit kommender Saison nicht nur mittels Saucen machen, die er übrigens auch gern in den Kaiserschmarrn mischt. In Zukunft soll es auch ein Pulver geben, eingelegte oder mit Frischkäse gefüllte Chilis. Vertrieben werden die Chilifarm-Produkte direkt in Ruprechtshofen oder via ausgewählter Vertriebspartner. „Ich will exklusiv bleiben, wenn jemand meine Produkte verkaufen will, soll er zu mir kommen. Und er muss sich mit dem Produkt auskennen.“ Das tut mittlerweile auch der Schwiegervater, der seine Kartoffeln nun eher stiefmütterlich behandelt und sein landwirtschaftliches Können mit Gusto in der Chilifarm auslebt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.01.2011)

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