Herr Strache und seine dritte Dimension

Werner Faymann und Josef Pröll spielen 2011 neue Rollen. Das sollte FPÖ-Chef Strache auch einmal versuchen und mit inhaltlicher Arbeit beginnen. Er wird schon nicht gleich zum Gutmenschen mutieren.

Politische Denker, Meinungsbefrager und Populär-Politologen garnieren ihre Expertise dieser Tage gern mit dem überraschenden Satz: Wenn die Regierung so weitermacht, wird Heinz-Christian Strache Nummer eins. Zu diesem epochalen Schluss kommen sie durch mehrere messerscharfe Beobachtungen.

Erstens: Heinz-Christian Strache liegt in Umfragen schon gleichauf mit den beiden Parteien der demnach kleinen Koalition. Zweitens: Die bisherige Performance der Regierung war nicht ganz so toll wie einst im Bauernbund und im Verkehrsressort erwartet. Drittens: Es wäre auch Jörg Haider im Kampf gegen eine Große Koalition schon fast gelungen. Die ÖVP unter Wolfgang Schüssel hat der damalige FPÖ-Chef 1999 tatsächlich überholt. (Was seine Partei in und später wieder aus der Regierung brachte.)

Kurz: Im Wiener Regierungsviertel herrscht „Reformbedarf“. Sogar Laura Rudas kommt das komische, irgendwie neoliberal klingende Wort schon flüssig über die Lippen, sie hat die erste und wichtigste Reform mit auf den Weg gebracht: Werner Faymann und sein Josef haben die Rollen getauscht. Also Faymann und Pröll, der Wechsel zwischen Faymann und Ostermayer wäre nicht neu. Vizekanzler Pröll geht es nach dem anstrengenden Jahr ruhiger an, hört dem anderen beim Ankündigen zu. Werner Faymann hingegen hat plötzlich den kleinen US-Präsidenten in sich entdeckt, redet ergriffen von Veränderungen. Lauter ist er auch geworden, ein wenig wohldosierter Zorn gehört zu einem kleinen Regierungsführer dazu. Und sagen Sie nie Training zu ihm, dann wird er wirklich wild! (Norbert Darabos soll von der neuen Harter-Mann-Autosuggestionstechnik der Parteizentrale so begeistert sein, dass er auch schon im Generalstab übt.)

Aber an dieser Stelle spielen wir Straches Spiel und beschäftigen uns nur mit den Titelverteidigern statt mit dem Herausforderer: Was macht Heinz-Christian Strache? Was würde er in einer Regierung machen? Aus heutiger Sicht lässt sich sagen: Er weiß es nicht. Die FPÖ schlingert inhaltlich-programmatisch zwischen Sozialismus und Rechtsextremismus, atmosphärisch zwischen Walhalla und Kreiskys Mallorca. Oder präziser: El Arenal. Oder wie am Samstag in der Pyramide Vösendorf: zwischen Bier und Palmen.

In diesem Jahr werden nicht nur Faymann und Pröll zeigen müssen, ob sie regieren, Strache wird aus der „Passage“ an seinen dekorierten Schreibtisch übersiedeln müssen: Dort sollte er sich mit einer Positionierung befassen und klarlegen, wofür die FPÖ fern der Ausländerpolitik inhaltlich, vor allem ökonomisch steht. Vielleicht schafft er es sogar zu einer in der FPÖ unpopulären, aber normalen Festlegung wie Programmautor Norbert Hofer, der zwar bestreitet, dass Österreich ein Einwanderungsland sei, es aber für ein Gebot der Menschlichkeit hält, „Verfolgten politisches Asyl zu gewähren“.

Strache sprach im Zusammenhang mit seinen Kanzlerambitionen von einer neuen Dimension. Die bedeutet neben dem einen oder anderen Abschied aus Straches Mitstreiterriege vor allem eines: ernste Arbeit.

rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.01.2011)

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