Literatur

"Tanzt, tanzt, sonst sind wir verloren"

Elisabeth Klar, geboren 1986 in Wien.
Elisabeth Klar, geboren 1986 in Wien.Copyright: Werner Robitza
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„Es gibt uns“ von Elisabeth Klar ist ein wilder und ein zärtlicher Roman, der den Moment, die Zuversicht und die Lebenswut unter widrigen Umständen feiert - ein utopischer Sommernachtstraum.

Es sind die alten Feste, die in der Stadt Anemos das Leben strukturieren. Immer wieder werden in Elisabeth Klars Roman „Es gibt uns“ Walpurgis, Samhain und Imbolc begangen, und mit ihnen werden wieder und wieder Geschichten beschworen. Es wird erzählt und getanzt, Nähe gesucht und gefunden. Im Taumel des Ausnahmezustandes überlässt man sich der Menge in einer Stadt, die nur fast bewohnbar ist. Anemos ist verstrahlt, die Tumore sprießen, wenn man sich zu lange hier aufhält, das Wasser ist giftig. Der Schauplatz von Klars viertem Roman ist in die Zukunft, vielleicht in eine alternative Welt spekuliert: Aufgehoben sind die Grenzen zwischen den Geschlechtern, Spezies und Geschichten. Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“ entsprungen, finden wir die Feenkönigin Titania mit Geweih und Hufen; Oberon wird zum Quallenwesen und beherbergt ein Mikrobiom, das Wasser aufbereiten kann. Eine Aufgabe, die bald auf das Müxerl übergeht, ein Schleimtierchen vom Rande der Gesellschaft, dem das vergiftete Wasser nichts anhaben kann.

Die Geschichte von Anemos und Titania, Oberon und Müxerl wird zu Walpurgis als Theaterstück erzählt, ein Spiel im Spiel, für das ganz Anemos zusammenfindet und begierig das Theater und das Erzählen feiert. Die Symbiose zwischen den Lebensformen ist in diesem fein gewebten, vielschichtig konstruierten Text eine Selbstverständlichkeit und doch eine wundersame Begebenheit. Titania, die „Meisterin des Tanzes“ und Vorsteherin von Anemos, lebt in Symbiose mit einer Spinne und hütet Knospen, die sich – wenn sowohl Empfangende wie Knospen ihre Zustimmung geben – im Kontakt mit Körpern entfalten und verbinden. Unterschiede werden hinfällig, physische wie emotionale: „So schnell kann die Grenze zwischen uns und dem anderen fallen, unsere Gefühle sind nicht mehr allein unsere, werden geteilt, so soll es sein!“, raunt beschwörend der stets anwesende Theaterchor. Es sind keine Verwandlungen, die Klar hier beschreibt, sondern ein sich Verwandtmachen mit anderen Lebensformen, um mit der Philosophin Donna Haraway zu sprechen. In „Unruhig bleiben“ erzählt Haraway die Geschichte von Camille und ihrer Symbiose mit den aussterbenden Monarchfaltern: Camille – und mit ihr ihre Nachfahr:innen – verknüpft ihre eigene DNA mit jener der gefährdeten Spezies, übernimmt die Sorge für das andere Wesen und verwebt dessen Schicksal mit ihrem eigenen. Sich verwandt machen heißt, anderem Platz zuzugestehen und Verantwortung zu übernehmen für alle Lebensräume und Lebewesen, aber auch für das eigene Handeln: „Was du kaputt machst, musst du richten“, lautet die Regel in „Es gibt uns“.

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