LEITARTIKEL: Banken retten oder Inflation bekämpfen? Beides wird schwierig

Die Notenbanken haben den Markt lang in Sicherheit gewiegt: Welche Krise auch komme, sie würden den Geldhahn öffnen. Daran hat man sich gewöhnt.

Ich bitte Sie, Ruhe zu bewahren“, sprach vor wenigen Tagen Greg Becker, damals noch Geschäftsführer der Silicon Valley Bank (SVB). „Das Letzte, was wir brauchen, ist, dass Sie in Panik geraten!“ Dass solche Worte nicht zur Beruhigung beitrugen, verwundert nicht. Es folgten ein Bank Run und die größte Pleite einer US-Bank seit der Finanzkrise. Binnen einer Woche sind nun sogar bereits drei US-Banken in die Insolvenz geschlittert.

„Das US-Bankensystem ist widerstandsfähig und steht auf stabilen Füßen“, betonten am Wochenende US-Finanzministerium, Notenbank Fed und Einlagensicherungsbehörde FDIC. Es werde keine staatliche Bankenrettung geben, der Steuerzahler werde nicht zur Kasse gebeten.

Tatsächlich beschloss man ein massives Hilfspaket: Die Einlagen der Bankkunden wurden in voller Höhe garantiert (also weit über die Einlagensicherung von 250.000 Dollar pro Person hinaus), und für kriselnde Bankinstitute wurde zudem die Möglichkeit geschaffen, im Fall eines Liquiditätsengpasses Anleihen aus ihren Wertpapierportfolien zum Nennwert bei der US-Notenbank Fed als Sicherheit für kurzfristige Liquidität zu hinterlegen – sie also nicht mit Verlust verkaufen zu müssen, falls sie rasch Geld benötigen.

Genau das war der Silicon Valley Bank passiert: Sie hatte die nach der Covid-Krise sprudelnden Einlagen von Start-up-Kunden in langfristige Anleihen investiert. US-Treasuries galten als sehr sicher. Im Prinzip gab es nur ein Risiko: Wenn die Zinsen sehr stark steigen, fallen die Kurse von bereits ausgegebenen Anleihen, und falls man diese dann vor Laufzeitende verkaufen muss, kann man das nur mit Verlust tun. Doch hatte es schon seit Jahren keine steilen Zinsanstiege mehr gegeben, und falls sich das ändern würde, müsste man die Papiere eben bis Laufzeitende halten, dachte man. Was sollte also passieren?

Dann wurden alle Risiken schlagend. Die Inflation entglitt, und die US-Notenbank sah sich gezwungen, die Zinsen binnen eines Jahres von fast null auf über vier Prozent anzuheben. Finanzierungen wurden schwieriger, sodass viele Start-up-Kunden der SVB ihre Einlagen benötigten. Die Bank musste Anleihen mit Verlust verkaufen, geriet in Liquiditätsnöte und versuchte verzweifelt, eine Kapitalerhöhung durchzuführen, um an frisches Geld zu gelangen. Panik brach aus, noch mehr Kunden versuchten, Geld abzuheben, schließlich schlossen die Behörden die Bank. Die Aktionäre sollen leer ausgehen, die Manager ihre Jobs verlieren. So gesehen muss man das nicht „Bankenrettung“ nennen. Und die Steuerzahler werden zumindest keine unmittelbaren Folgen spüren, auch wenn sie langfristig immer zur Kasse gebeten werden. Notfalls über die Inflation.

Denn die könnte nun schwieriger in den Griff zu bekommen sein. Die Fed steht vor einem Dilemma: Um die Inflation zu dämpfen, muss sie die Zinsen weiter anheben. Doch bereits die bisherigen Zinserhöhungen haben ausgereicht, um eine Reihe von Banken in Existenznöte zu bringen. Ohne das staatliche Eingreifen am Wochenende hätte es möglicherweise Runs auf weitere Regionalbanken gegeben.

Dass auch europäische Banken in Schwierigkeiten geraten können, ist nicht auszuschließen, auch sie sitzen zum Teil auf hohen Anleihebeständen, und auch in Europa steigen die Zinsen. Der Markt rechnet mit Unerfreulichem: Europäische Bankaktien sind mit Kursverlusten in die Woche gestartet.


Wer ist nun schuld an der Misere? Zunächst wohl die Geldhäuser selbst: Was die Silicon Valley Bank abgeliefert hat, war nicht gerade ein Meisterstück an Risikomanagement. Doch sind auch die Notenbanken nicht unschuldig: Sie haben jahrelang eine extreme Niedrigzinspolitik gefahren und die Marktteilnehmer in Sicherheit gewiegt: Welche Krise auch immer eintreten würde, die Notenbanken würden schon wieder den Geldhahn aufdrehen, dachten sie.

Offenbar glauben sie das jetzt erneut: US-Futures starteten im Plus in die Woche, Krypto-Assets erholten sich auf breiter Front, Bitcoin schoss hoch, der Goldpreis stieg. Das ist aber wohl eher die Hoffnung auf eine baldige Lockerung der Geldpolitik – und weniger das große Vertrauen in Politik und Bankensystem.

E-Mails an: beate.lammer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.03.2023)

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