Beide Länder setzen auf Protektionismus für die eigene Landwirtschaft. Sie kündigten Importverbote für billiges ukrainisches Getreide an.
Brüssel. Ein angekündigtes Importverbot für ukrainisches Getreide und Lebensmittel hat einen neuen Konflikt zwischen Brüssel und den beiden osteuropäischen Ländern Polen und Ungarn ausgelöst. Am Wochenende bezeichnete ein Sprecher der EU-Kommission die jüngsten Ankündigungen aus Warschau und Budapest, die Einfuhr aus dem von Russland angegriffenen Land zu verbieten, als „inakzeptabel“. Die beiden Länder verstoßen nach Ansicht Brüssels damit nicht nur gegen gemeinsam beschlossene Handelserleichterungen für die Ukraine, die aus Solidarität erlassen wurden. Die Maßnahmen unterwandern auch Kompetenz der EU-Kommission, die für die Handelspolitik aller Mitgliedstaaten allein zuständig ist.
Polen und Ungarn wollen künftig kein Getreide und bestimmte andere Lebensmittel mehr aus der Ukraine einführen. Dies geschehe zum Schutz der eigenen Erzeuger, teilten beide Regierungen am Samstag mit. Zuletzt hatten umfangreiche Lieferungen aus der Ukraine die Preise und den Absatz der heimischen Produzenten gedrückt. Die Ukraine erklärte zunächst mit Blick auf die polnische Entscheidung, man bedauere das Vorgehen und wünsche sich Gespräche zur Lösung des Problems.
Nachdem im Zuge des russischen Einmarsches in die Ukraine auch einige Schwarzmeerhäfen blockiert wurden, lagern große Mengen ukrainischen Getreides in den angrenzenden Ländern. Im März hatten mehrere osteuropäische Staaten in einem Schreiben an die Europäische Kommission erklärt, dass die Einfuhr etwa von ukrainischem Getreide, Ölsaaten, Eiern, Geflügel und Zucker beispiellose Ausmaße erreicht habe. Deshalb sollten Zölle auf ukrainische Agrarprodukte erwogen werden. Die EU-Mitgliedstaaten haben allerdings in einem gemeinsamen Beschluss die zollfreie Einfuhr von ukrainischem Getreide bis Juni 2024 verlängert. Das stellt etwa die regierende Partei PiS in Polen vor ein Problem, zumal in diesem Jahr eine Parlamentswahl ansteht. PiS-Chef Jarosław Kaczyński bekräftigte am Wochenende auf einem Parteitag, Polen werde die Ukraine auch weiterhin unterstützen. „Wir sind und bleiben unverändert Freunde und Verbündete der Ukraine.“ Es sei aber „die Pflicht eines jeden Staates, jeder Behörde, zumindest einer guten Behörde, die Interessen seiner Bürger zu schützen“. In Ungarn sagte Ministerpräsident Viktor Orbán, die aktuelle Lage füge den örtlichen Bauern schweren Schaden zu. Daher verhänge auch sein Land ein Einfuhrverbot für Getreide und andere Lebensmittel aus der Ukraine. Wann dies in Kraft treten soll, blieb zunächst aber offen.
Kämpfe zum orthodoxen Osterfest
Ungeachtet des orthodoxen Osterfests hielten am Sonntag die Kämpfe in der von Russland angegriffenen Ukraine an. Durch russischen Beschuss seien nachts in der südlichen Region Mykolajiw zwei Teenager getötet worden, teilte der dortige Militärgouverneur, Witalij Kim, am Sonntag mit. Im Gebiet Saporischschja berichtete der Leiter der Militärverwaltung, Jurij Malaschko, ebenfalls von einem „massiven Angriff“ der Russen. Dabei sei auch eine Kirche beschädigt worden, woraufhin der Gottesdienst habe abgesagt werden müssen. „Nichts ist heilig, selbst in der Nacht der Auferstehung Christi“, schrieb Malaschko.
Der Chef der berüchtigten russischen Söldnergruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, hat indessen mit einem Text über ein mögliches Kriegsende in der Ukraine für Aufsehen gesorgt. Vor allem viele ukrainische Medien verwiesen am Wochenende auf einen Blogeintrag des 61-Jährigen, in dem es heißt: „Für die Staatsmacht und für die Gesellschaft ist es heute notwendig, irgendeinen dicken Punkt hinter die militärische Spezialoperation zu setzen.“ (wb/ag.)