Quo vadis?

Viel Andrang bei christlicher Gratis-Tattoo-Aktion

Tattoo-Artist Silas Becks
Tattoo-Artist Silas BecksSilas Becks/Studio
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Am Wochenende stach der katholische Tätowierer Silas Becks im „Quo vadis?“ am Stephansplatz gratis Glaubensbekenntnisse unter die Haut. Von 400 Interessenten mussten die meisten vertröstet - oder mit Rubbel-Tattoos „besänftigt“ werden.

Dass sich eine 80-jährige Dame tätowieren lässt, um ihrer Enkelin zu zeigen, dass sie auch cool und „kein Unmensch ist“, kommt nicht jeden Tag vor. Diese Großmutter trägt seit dem Wochenende jedenfalls ein Kreuz unter der Haut. Es war eines von mehreren religiösen Symbolen, die sich geneigte Christen am Wochenende im „Quo vadis?“ bei einem kostenlosen „Tattoo Walk-In“ aussuchen konnten. Der Stuttgarter Tattoo-Künstler Silas Becks stach in der Begegnungsstätte der österreichischen Orden am Wiener Stephansplatz allen Volljährigen Glaubensbekenntnisse unter die Haut.

Wobei allen, ist eine Übertreibung. Der Andrang war nicht zu bewältigen, sagt Christopher Paul Campbell, Leiter im „Quo vadis?“. Das große Interesse hatte ihn aber sehr berührt. Von den 400 Interessenten mussten die meisten vertröstet werden. „Als ich am Samstag eine Stunde vor Beginn ankam, standen schon 40 Personen in einer Schlange“. Ungefähr 35 Tattoos sind sich an beiden Aktionstagen insgesamt ausgegangen, viele warteten also vergeblich auf ihr neues „Peckerl“. Die üppigste Follower-Statistik half nicht, als eine katholische Influencerin kurz vor Schluss auftauchte und perplex war, weil sie nicht mehr an die Reihe kam.

Viele Trost-Tattoos

Bei der Wahl der Bilder setzten sich die kleinen Symbole durch. „Tatsächlich war es die Friedenstaube, die sehr häufig gewählt wurde“, sagt Campbell. Und natürlich das christliche Kreuz. „Eine Dame ließ sich den Schriftzug 'Wien' als Verweis auf das Buch Exodus (und das gelobte Land) tätowieren.“ 

Jene, die keinen Platz auf den zu Ostern erstellten Wartelisten bekamen und trotzdem vorbeischauten, wurden mit Rubbel-Tattoos „besänftigt". Das Interesse an der Aktion kann Christopher Paul Campbell am Montag danach noch immer nicht wirklich einordnen. „Es hat sich aber toll angefühlt“. Gelernt habe er, dass der liturgische Raum und das persönliche Glaubensbekenntnis zwei Paar Schuhe sind, aber jede Diskussion darüber produktiv sein kann. Außerdem sei es ein modernes Osterthema, als wie jedes Jahr über Fastentücher zu sprechen. Am 14. April fand in der Ruprechtskirche ein begleitender Tattoo-Gottesdienst für bunte Menschen statt, an den sich ein Gespräch über die kontroverse Stellung der Tätowierung im Christentum anschloss.

Im Vorfeld der Aktion sagte Campbell: „Es geht darum, die Zeichen ernst zu nehmen, die Menschen sich selbst geben. Die Geschichten hinter den Tätowierungen wahrzunehmen, den Glauben, in allen Dingen zu finden. Wir wollen eine katholische Perspektive auf die Tätowierung mitgestalten, die nicht auf Verbot und Ablehnung, sondern auch Freundlichkeit und Augenhöhe basiert. Wir sehen die Tätowierung im Zusammenhang mit der tiefen Spiritualität der christlichen Religion.“

Neben der Jerusalemer Pilgertätowierung, spielt die Tätowierung in vielen Teilen des Christentums eine Rolle, etwa bei den Kopten in Ägypten oder den eritreischen Christen. Mit den Nadelstichen will man sich mit den Leiden Christi identifizieren und seinen Glauben sichtbar machen.  

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