Orbáns Parlamentsmehrheit nutzt die Umsetzung der EU-Hinweisgeberrichtlinie, um eine neue Schikane gegen sexuelle Minderheiten zu errichten.
Das von der nationalautoritären Regierungspartei Fidesz kontrollierte ungarische Parlament hat vorige Woche ein Gesetz beschlossen, dass es Bürgern erlaubt, gleichgeschlechtliche Elternpaare anonym bei den Behörden anzuzeigen. Konkret wird es damit in Ungarn erlaubt, Eltern zu vernadern, welche „die verfassungsmäßig anerkannte Rolle der Ehe und der Familie“ infrage stellen oder „die Rechte von Kindern auf eine Identität, die ihrem Geschlecht bei Geburt angemessen ist“, missachten. Im Klartext zielt dieses Gesetz erstens auf gleichgeschlechtliche Elternpaare ab, die gemeinsam Kinder aufziehen, und zweitens auf alle Eltern transsexueller Kinder, die deren Geschlechtsumwandlung genehmigen.
Ungarns Regierung versucht damit, zwei Fliegen mit einer Klappe zu erschlagen. Erstens will sie auf diese Weise ein Vertragsverletzungsverfahren, welches die Europäische Kommission gegen Ungarn eröffnet hat, beilegen. Denn wie es am Montag auf Anfrage der „Presse“ aus der Kommission hieß, erfolgt diese Novelle im Rahmen der Umsetzung der EU-Hinweisgeberrichtlinie aus dem Jahr 2019. Dieses Gesetz soll sogenannte Whistleblower schützen, die Missstände in öffentlichen und privaten Organisationen melden. Die Mitgliedstaaten hätten es bis Dezember 2021 in ihr jeweiliges nationales Rechtssystem übertragen sollen. Doch Ungarn blieb wie einige andere Staaten bisher mit dieser Umsetzung säumig.