Die Kür von Johanna Mikl-Leitner zur Landeshauptfrau könnte nicht rechtmäßig zustande gekommen sein, sagt Verfassungsjurist Stöger. SPÖ, Grüne und Neos überlegen nun den Gang zum Verfassungsgerichtshof.
War die Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) zur niederösterreichischen Landeshauptfrau rechtmäßig? Diese Frage beschäftigt nicht nur den Verfassungsjuristen Karl Stöger, sondern nun auch die politische Konkurrenz. Denn: Stöger hatte am Montag eine "unklaren Rechtslage" bei der Wahl der Landeshauptfrau sowie der Kür von Udo Landbauer (FPÖ) zu ihrem Stellvertreter vermutet. SPÖ, Grüne und Neos beraten deswegen am heutigen Dienstag, ob sie seine Einschätzung zum Anlass nehmen wollen, um den Verfassungsgerichtshof anzurufen. Eine Beschwerde dort müsste innerhalb von vier Wochen nach der konstituierenden Sitzung, also bis Donnerstag, eingebracht werden, informierte die Landtagsdirektion auf Anfrage.
"Alle Parteien sollten Interesse daran haben, dass die Wahl der Landeshauptfrau und ihrer Stellvertreter verfassungskonform über die Bühne gegangen ist", betonte SPÖ-Klubobmann Hannes Weninger am Dienstag. Um die derzeit "rechtlich unklaren" Verhältnisse nicht im Raum stehenzulassen, fordert er eine gemeinsame Entscheidung.
Eine Beschwerde müsste von mindestens einem Zehntel der 56 Mitglieder des Landtages, also sechs Abgeordneten, eingebracht werden, bestätigte Stöger am Dienstag auf Anfrage einen Bericht des ORF Niederösterreich. Im Kern geht es um die Berücksichtigung der ungültigen Stimmen bei der Wahl von Mikl-Leitner und Landbauer in der konstituierenden Sitzung am 23. März. Die FPÖ hatte angekündigt, weiß zu wählen. Mikl-Leitner wurde mit 24 von 41 gültigen Stimmen als Landeshauptfrau bestätigt. Ähnlich war die Situation bei Landbauer. Der Freiheitliche kam als Landeshauptfrau-Stellvertreter auf 25 von 44 gültigen Stimmen.
Rechtslage ist für Stöger "nicht eindeutig"
Die Rechtslage ist für Stöger "nicht eindeutig", dementsprechend habe eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof Chancen. Während für den Juristen zwei Lesarten der Bestimmungen möglich sind, verwies die Landtagsdirektion auf die Geschäftsordnung des Landtages. Demnach werden alle Wahlen im Landtag durch einfache Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen entschieden, leere Stimmzettel sind ungültig. Der Verfassungsrechtler sieht das laut "Standard" aber nicht als entscheidend an, da der entsprechende Passus in der Geschäftsordnung nur dann greife, wenn nichts anderes bestimmt ist. Das wäre bei einer möglichen Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes der Fall.
Würde der VfGH die Wahl für ungültig erklären, wären Mikl-Leitner und Landbauer ab der Kundmachung nicht mehr im Amt. In dem Fall würden Vertretungsregelungen greifen, erläuterte Stöger. Die beiden Wahlvorgänge müssten im Landtag erneut durchgeführt werden.
Während SPÖ, Grüne und Neos Kritik übten, sah ÖVP-Landesgeschäftsführer Bernhard Ebner am Montag eine "völlig eindeutige" Rechtslage. Landtagspräsident Karl Wilfing (ÖVP) betonte, es habe weder in der Präsidiale noch während der Abstimmung im Plenum organisatorische oder rechtliche Kritik am Wahlprozedere gegeben.
(APA/Red.)