Modischer Austausch

Mode zu Ehren der Oma Getrude

Die Abschlusskollektion von Joseph William Raidt.
Die Abschlusskollektion von Joseph William Raidt.Sophia Beckmann
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Joseph William Raidt entwarf eine Kollektion zu Ehren seiner Großmutter. Der Entwurfsprozess wurde so zum besonderen Dialog.

Mit seinem Interesse für Mode fand Joseph William Raidt in jungen Jahren zu einem Sprachrohr abseits des sprachlichen Ausdrucks, der ihm – so sagt er selbst – oft schwerfiel. Anregungen für Entwürfe findet der junge Designer seither in Dingen, die mit Mode auf den ersten Blick nur wenig gemein haben. Im Rahmen seiner Abschlusskollektion am Amsterdamer Fashion Institute widmete sich der gebürtige Tübinger der Alzheimer-Erkrankung seiner Großmutter Gertrude (im Übrigen eine ehemalige Näherin). Um ihre veränderte Denkweise verstehen zu können, versuchte sich Raidt in einem Experiment, dessen Lenkung er der Großmutter überließ. Alte Stücke und Stoffe sollten zu neuer Kleidung gemacht werden, ganz in ihrem Sinne. Dabei ergaben sich unverhoffte Aspekte, fern von konventionellen Kleidernormen, Denkanstöße für die eigene (Abschluss-)Kollektion und ein wieder aufblühendes Verhältnis.

Für die eigenen Entwürfe verwendete Raidt letzten Endes tatsächlich alte Kleider, Tischdecken und Vorhänge seiner Großmutter, die er zu Neuem umarbeitete. Mithilfe von Bildhauertechnik, dem Schneiden und Kleben alter Matratzen etwa, übersetzte er außerdem drei­dimensionale Formen in tragbare Objekte. Das Ergebnis soll die entfremdete Wahrnehmung seiner Großmutter von Funktion und Optik diverser Alltagsgegenstände veranschaulichen. 

Fotografiert wurde in intimer Atmosphäre im Haus von Großmutter Gertrude.
Fotografiert wurde in intimer Atmosphäre im Haus von Großmutter Gertrude.Sophia Beckmann

("Die Presse Schaufenster" vom 14.4.2023)

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