Kein Ende der Gewalt

Tausende flüchten aus umkämpfter sudanesischer Hauptstadt Khartum

Der Flughafen von Khartoum war am Dienstag, dem 18. April, umkämpft.
Der Flughafen von Khartoum war am Dienstag, dem 18. April, umkämpft.(c) Reuters
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Eine weitere Feuerpause ist gescheitert. Tausende Menschen sind in dem ostafrikanischen Land ohne Essen und medizinische Versorgung. Ein EU-Mitarbeiter wurde angegriffen und möglicherweise schwer verletzt.

Wegen der schweren Kämpfe im Sudan sind am Mittwoch tausende Menschen aus der Hauptstadt Khartum geflohen. Die Intensität der Luftangriffe nahm in den frühen Morgenstunden weiter zu. Laute Explosionen und heftige Gefechte waren in der Stadt zu hören. Aufgrund der anhaltenden Kämpfe sind 39 der 59 Krankenhäuser in Karthum außer Betrieb. Mehrere Länder begannen mit Planungen, ihre Mitarbeiter aus dem Sudan in Sicherheit zu bringen. Angesichts der Kämpfe ist dies aber schwierig.

Im Zuge der Wirren wurde auch ein Mitarbeiter der Europäischen Kommission angeschossen und dabei verletzt, wie eine Sprecherin der Behörde am Mittwoch bestätigte. Demnach handelt es sich um den Leiter des Büros der Generaldirektion Humanitäre Hilfe und Katastrophenschutz (ECHO) in der Hauptstadt Khartum. Er ist Belgier und arbeitet seit 2019 dort in dieser Funktion.

Angaben zu den Umständen des Vorfalls und zur Schwere der Verletzung machte die Sprecherin aus Sicherheitsgründen nicht. Sie wollte auch nichts zu seinem aktuellen Aufenthaltsort sagen. Die "New York Times" berichtete, der Mann sei schwer verletzt worden, schwebe aber nicht in Lebensgefahr. Er soll in der Nacht von Sonntag auf Montag verschwunden und dann erst am Dienstag von Kollegen gefunden worden sein.

Bereits am Montagabend hatte die EU einen Angriff auf den EU-Botschafter im Sudan bestätigt. Der Ire Aidan O'Hara wurde nach jüngsten Angaben in seiner Residenz von bewaffneten Männern in Militärkleidung überfallen und ausgeraubt. Er blieb unverletzt.

Unerbittlicher Machtkampf

In dem nordostafrikanischen Land liefern sich Einheiten der Armee und der paramilitärischen RSF-Miliz seit Samstag erbitterte Kämpfe. Zuvor war eine Einigung zur Eingliederung der RSF in die Armee gescheitert. Am Mittwoch waren RSF-Kämpfer auf gepanzerten Fahrzeugen und Pick-ups voll beladen mit schweren Waffen und Munition in Khartum zu sehen. Armee-Kampfflugzeuge wiederum überflogen die Stadt und feuerten auf RSF-Stellungen, wie Augenzeugen berichteten.

Für die in ihren Wohnungen festsitzenden Zivilisten wurde die Lage zunehmend hoffnungslos: Die Nahrungsmittel-Vorräte schwinden, der Strom fällt aus, Trinkwasser fehlt. Die Aussicht auf eine Evakuierung der Menschen am Dienstag war zerstört worden, nachdem eine humanitäre Feuerpause nur Minuten nach ihrem Inkrafttreten wieder gebrochen worden war. Es war die dritte gescheiterte Feuerpause seit Beginn der Gefechte am Samstag. Seitdem kamen laut Vereinten Nationen 270 Menschen ums Leben, 2600 wurden verletzt.

Am Mittwoch nahmen viele Zivilisten ihr Schicksal selbst in die Hand und flüchteten in Autos oder zu Fuß aus der Stadt, darunter viele Frauen und Kinder. Sie berichteten, die Straßen von Khartum seien mit Leichen übersät.

Zwei Generäle kämpfen um die Macht

In dem seit Jahren politisch instabilen Sudan kämpfen seit Samstag die zwei mächtigsten Generäle und ihre Einheiten um die Vorherrschaft. Die zwei Männer führten das Land mit rund 46 Millionen Einwohnern seit einem gemeinsamen Militärcoup im Jahr 2021. De-Facto-Präsident Abdel Fattah al-Burhan, der Oberbefehlshaber der Armee ist, kämpft gegen seinen Stellvertreter Mohammed Hamdan Dagalo, den Anführer der mächtigen RSF.

Die paramilitärische Gruppe RSF warf der sudanesischen Armee am Dienstag bereits um 18.14 Uhr in einer Mitteilung auf Twitter den "Verstoß gegen die unter internationaler Vermittlung vereinbarte Waffenruhe" vor. "In den ersten Stunden der erklärten Waffenruhe" sei es zu Angriffen auf RSF-Kräfte gekommen, hieß es. Diese Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen.

Bereits am Sonntag und Montag waren vereinbarte dreistündige Waffenruhen gescheitert. Tausende Zivilisten seien deshalb in ihren Wohnungen und Häusern gefangen, oft ohne Strom und ohne Möglichkeit, Essen, Wasser oder Medikamente zu besorgen, teilte der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk in Genf mit.

UNO will vor Ort bleiben

Die G7-Außenminister hatten am Dienstag ein Ende der Gewalt gefordert. "Wir rufen alle Akteure auf, zu Verhandlungen zurückzukehren und aktive Schritte zu unternehmen, um Spannungen abzubauen", hieß es im Abschlusspapier zum Treffen der Minister im japanischen Karuizawa.

Die Bundeswehr bereitet eigenen Angaben nach eine Unterstützung des Auswärtigen Amtes (AA) im Falle einer militärisch abgesicherten Evakuierung deutscher Staatsbürger aus dem Sudan vor. In der sogenannten Krisenvorsorgeliste des AA hat sich nach Angaben einer Sprecherin vom Montag eine "niedrige dreistellige Zahl" deutscher Staatsangehöriger im Sudan registriert. Wie ein Sprecher des Bundesinnenministeriums auf Anfrage mitteilte, halten sich im Sudan aktuell ein Bundespolizist - als Sicherheitsbeamter der Botschaft - sowie mehrere deutsche Mitarbeiter der UN-Mission UNITAMS auf.

Ob es Pläne für die 4000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Vereinten Nation im Sudan gibt, darunter 800 Ausländer, wollte eine UN-Sprecherin in Genf nicht kommentieren. Die Absicht sei auf jeden Fall, vor Ort zu bleiben und das humanitäre Mandat der UN zu erfüllen.

(APA/Reuters/dpa)

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