Transformation

Erste Generation Wasserstoff: „Diesel bauen wir schon ab“

Prototyp des ELY 1250-Stacks von Bosch. Die Zahl steht für die elektrische Anschlussleistung (Gleichstrom): 1250 kW.
Prototyp des ELY 1250-Stacks von Bosch. Die Zahl steht für die elektrische Anschlussleistung (Gleichstrom): 1250 kW. Werk
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Der Linzer Engineering-Standort von Bosch steigt in die Entwicklung von Wasserstoff-Stacks ein. Die Entwicklung von Diesel-Einspritzsystemen für Nutzfahrzeuge wird den Standort aber auch noch länger beschäftigen.

Wien. „Der Standort“, sagt Christian Ganser, „ist mit Injektoren groß geworden“. Die Bauteile brauche man, um Kraftstoff, in dem Fall Diesel, in Verbrennungsmotoren einzuspritzen, und der Standort ist das Bosch-Engineering-Center in Linz.

Ganser, der den Betrieb leitet, ist seit 1989 im Haus, damals noch unter dem Dach der Voestalpine. Der Stahlkonzern ließ seine 1985 gestartete Diversifizierungsagenda in Richtung Hochtechnologie aber bald wieder bleiben; der deutsche Zulieferer Bosch, weltgrößter im Automotive-Bereich, übernahm 1990. Eine „Handvoll Mitarbeiter, 35 oder 40“, so Ganser, habe sich in jenen Jahren mit Einspritzpumpen beschäftigt, daraus wurden allein in Linz 240. „Unser Produkt war die Pumpedüse“, ein Begriff, den kennt, wer in den 1990ern einen VW, Audi oder Škoda gefahren ist.

Die Technologie trug nicht unwesentlich zum Siegeszug des Dieselmotors – politisch gewollt und umfassend gefördert – in Europa bei. Eine „Rieseninnovation“ gegenüber dem herkömmlichen Direkteinspritzer, erklärt Ingenieur Ganser, mit einer Voreinspritzung, von der vor allem die Akustik profitierte: Erst damit wurde der drehmomentstarke Dieselmotor für jede Art von Pkw salonfähig.

Diesel-Boomjahre

Ab 1993 beschäftigte sich das Linzer Engineering-Zentrum mit der Nachfolgetechnologie, Common-Rail-Injektoren – „heute mit bis zu 2500 bar Einspritzdruck“, schwärmt Ganser, „damals unvorstellbar, wir dachten nicht, dass je über 1300 bar möglich wären“. Je höher der Druck, desto feiner die Verstäubung des Kraftstoffs im Brennraum, was die Emissionen ebenso wie die Effizienz verbessern helfe. Die bis heute gültige Aufteilung im Konzern: „Die Kollegen in Stuttgart machen Einspritzsysteme für Pkw, wir für Nutzfahrzeuge mit bis 2000 PS Leistung.“

Die Frage laute heute aber in beiden Ländern: „Was machen wir als klassische Dieselentwickler?“ Die „Megatrends“ in der Automobilindustrie „bieten viele Chancen“, sagt Ganser: „Vernetzung, Digitalisierung, Elektrifizierung.“ Obwohl Nutzfahrzeuge wohl viel länger beim Dieselantrieb bleiben werden als Pkw, sei um das Jahr 2020 klar geworden: „Wir brauchen ein Transformationsthema, um unsere Leute zu halten und auf neuen Gebieten zu wachsen.“

Beim Rundgang in den Werkshallen deutet Ganser auf eine aufgeräumte Ecke: „Diesel bauen wir teilweise schon ab.“ In der Zukunft wird in Linz auch Wasserstoff eine tragende Rolle spielen, dafür würden gerade 18 Mio. Euro in den Standort investiert. Die Rede ist freilich von grünem Wasserstoff, gewonnen mithilfe regenerativer Energiequellen, anders als grauer Wasserstoff, wie ihn die Industrie bislang nutzt, und für dessen Herstellung man große Mengen Erdgas benötigt.

Zu den ersten Linzer Projekten zählt ein H2-Tankventil, hochkomplex, weil es alle Sicherheitsfunktionen beinhaltet. „Und einen Tank brauche ich immer“, sagt Ganser, „ob der Wasserstoff für die Brennstoffzelle verwendet oder direkt verbrannt wird.“

Wasserstoffkreislauf

Dekarbonisierung wird ohne Wasserstoff nicht gehen, das hat auch die Landespolitik erkannt, sie will in Oberösterreich ein „Wasserstoffnetzwerk“ errichtet sehen und startet mit neun Mio. Euro Fördergeld ihre „Wasserstoff-Offensive 2030“.

Bei Bosch in Linz indes ist laut Christian Ganser ein „grüner Wasserstoffkreislauf am Standort“ das Ziel. Dessen „absolutes Herzstück“ ist ein Produkt, das im Engineering Center entwickelt wurde und 2025 auf den Markt kommen soll: ein Elektrolyse-Stack zur Herstellung von Wasserstoff, schon baulich ein interessanter Kontrast zu den Einspritzdüsen im Kugelschreiberformat – groß wie zwei übereinander gestapelte Waschmaschinen, 2,3 Tonnen schwer. Im Betrieb werden große Mengen hochreines Wasser durchgeleitet, wird Gleichspannung angelegt – Anschlussleistung 1250 kW –, wodurch man am Ende Sauerstoff und 23 kg Wasserstoff pro Stunde gewinnt.

Im Unterschied zur heute dominierenden Alkali-Elektrolyse, die weltweit im großen Maßstab eingesetzt wird, sei die auf PEM-Technologie (Protone Exchange Mebrane) basierende Elektrolyse unter anderem besser für das Zusammenspiel mit alternativen Stromquellen geeignet: „PEM-Technologie ist dynamischer und kann auf Schwankungen in der Stromzufuhr schnell reagieren“, also „quasi auf die Wolke, die gerade über die Solarkollektoren zieht“.

Bis 2030, rechnet man bei Bosch, werde die Technologie ein Drittel des Elektrolysemarkts halten. Man werde sie Unternehmen, die Wasserstoff-Elektrolyseanlage im großen Umfang herstellen, zuliefern, „in Form von kompakten Modulen, komplett mit Steuergerät und Sensorik“.
Bevor die Serienproduktion im Bosch-Leitwerk Bamberg in Deutschland startet, werde man in Linz den Kreislauf geschlossen haben: „Den Wasserstoff, der auf den Stack-Prüfständen entsteht, werden wir für die Testläufe unserer H2-Motoren verwenden.“ Für die Transformation werde man aber in jedem Fall mehr Strom brauchen, der Stromversorger sei schon informiert: Derzeit habe man ein Megawatt am Standort, „bald brauchen wir sechs Megawatt. Und irgendwann 20.“

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