Pizzicato

Hauptsache Hollywood

Tom Segev ist unwesentlich älter als der Staat Israel, ein begnadeter Geschichtenerzähler, aus dessen Mund die Anekdoten perlen.

Sie sprengen den Rahmen eines Interviews, doch sie passen zwischen zwei Buchdeckel wie in seinen Erinnerungen „Jerusalem Ecke Berlin“. Darin schreibt der Historiker und Publizist unter anderem von seinen Begegnungen mit zwei Wiener Juden des Jahrgangs 1911, die unterschiedlicher kaum sein hätten können: dem Sozialisten Bruno Kreisky und dem Zionisten Teddy Kollek.

Israels Premierministerin Golda Meir ging mit der Geschichte hausieren, dass ihr Kreisky beim spannungsgeladenen Krisentreffen 1973 im Bundeskanzleramt nicht einmal ein Glas Wasser angeboten habe – eine Mär. Im Nebenraum hatte Margit Schmidt, Kreiskys „gute Seele“, eine ganze Kaffeehaus-Palette auffahren lassen.

Daran fehlte es auch bei Teddy Kollek nicht. Jerusalems legendärer Bürgermeister entführte seine Gäste – Berühmtheiten aus aller Welt – gern in sein Stammcafé. So kam es, dass Segev, damals Bürochef, frühmorgens einmal einen Hollywoodstar im Vorzimmer des Bürgermeisters erspähte. „Sinatra“, entfuhr es ihm. Kirk Douglas lächelte generös und dachte an einen Witz – jüdischer Humor eben. Frank Sinatra kam später auf Besuch. Für Kollek machte es keinen großen Unterschied – Hauptsache Hollywood. (vier)

Reaktionen an: thomas.vieregge@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.04.2023)

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