Gastkommentar

Auf dem Weg zum Öxit?

Die steigende EU-Skepsis in Österreich wird auch von der Bundesregierung verursacht.

Der Autor

Otmar Lahodynsky (* 1954) ist freier Journalist und Ehrenpräsident der Association of European Journalists (AEJ).

Schon 27 Prozent der Österreicher wollen aus der EU austreten, Tendenz steigend. Nur 42 Prozent halten die EU noch für eine „gute Sache“ – im EU-Durchschnitt sind es 62 Prozent. Diese Umfragen der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE) sind beunruhigend. In der Sicherheitspolitik trat ein Widerspruch zutage: 64 Prozent lehnten bei der nach Kriegsbeginn Russlands gegen die Ukraine im März 2022 durchgeführten Umfrage einen Nato-Beitritt ab. Zur selben Zeit sprachen sich aber 64 Prozent der ÖsterreicherInnen für eine verstärkte Zusammenarbeit der EU-Mitgliedsländer in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik aus.

Bislang war die militärische Kooperation unter EU-Ländern aber eher schwach ausgebildet. Die meisten EU-Länder sind Mitglied des atlantischen Verteidigungsbündnisses Nato. Und vorige Woche wurde Finnland als 31. Mitglied aufgenommen. Das ebenfalls neutrale Schweden soll folgen, sobald die Türkei und Ungarn ihren innenpolitisch motivierten Widerstand aufgeben.

Die beiden nordischen Staaten fühlen sich seit dem Überfall der russischen Armee auf die Ukraine als neutrale Länder nicht mehr sicher genug. In beiden Ländern stieg aber auch seither die Zustimmung zur EU, die viele Finnen und Schweden als nützliche Organisation im weltweiten Wettbewerb sehen.

Doch in Österreich wurde die EU seit einigen Jahren immer unbeliebter. Bereits 27 Prozent wollen es offenbar den Briten mit einem Öxit nachmachen. Woran liegt dies? ÖGfE-Chef Paul Schmidt macht dafür vor allem die verunglückte Europapolitik der Bundesregierung verantwortlich. „Wenn der Bevölkerung von der Regierung dauernd erklärt wird, wie schlecht die EU funktioniert, braucht man sich über das schlechte Image der EU nicht zu wundern.“ Mit wenigen Ausnahmen – Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) oder die grünen Ministerinnen Leonore Gewessler und Alma Zadić – finden Regierungsmitglieder selten lobende Worte für die EU. Auch Europaabgeordneter Othmar Karas (ÖVP) und Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger gehören zu den EU-Befürworterinnen, die sich dafür viel Kritik gefallen lassen müssen.

Als Paradebeispiel dafür, wie man die EU-Skepsis befördert, dient die Debatte um den Schengen-Beitritt Rumäniens und Bulgariens. Da erklärten Bundeskanzler Karl Nehammer und sein Innenminister Gerhard Karner unisono, dass sie Rumänien und Bulgarien nicht als Mitglieder der Schengen-Zone haben wollen, solang das Schengen-System zur Kontrolle der Außengrenzen nicht funktioniere. Kurz darauf stimmten sie aber dem Schengen-Beitritt Kroatiens zu.

Mit dem Verbot der Pkw-Verbrennungsmotoren ab 2035 war die EU für Nehammer auch nicht auf der richtigen Spur. Er trotzte eine Ausnahmeregelung für Autos mit E-Fuel-Antrieb ab.

EU-Walen in einem Jahr

Gemeinsame Initiativen mit anderen EU-Partnern sind selten. Und auch da steht Österreich bei der Weiterentwicklung der EU oft auf der Bremse. Zuletzt bei der Neufassung des neuen siebenjährigen EU-Budgets im Jahr 2020/21, bei dem sich Österreich gemeinsam mit den Niederlanden, Dänemark und Schweden als Frugal Four gegen höhere gemeinsame Ausgaben – auch in Zukunftsbereichen – sperrte.

In einem Jahr, im Mai 2024, finden wieder Wahlen zum Europaparlament statt. Die Regierung wird mit ihrem EU-kritischen Kurs für eine niedrige Wahlbeteiligung sorgen. Und sie wird Wähler den EU-feindlichen Kräften, besonders der FPÖ, zutreiben. Es wäre höchste Zeit für einen Kurswechsel.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.04.2023)

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