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Von Natur bis Stalin: Die Gedanken der Grazer KPÖ-Chefin

 Grazer KPÖ-Bürgermeisterin Elke Kahr
Grazer KPÖ-Bürgermeisterin Elke KahrAPA/ERWIN SCHERIAU
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Autorin Silvia Jelincic hat für das Buch über die Grazer Bürgermeisterin Elke Kahr die Inhalte von zwei langen Interviews zu einem leicht zu lesenden Fließtext zusammengefasst.

Kommunismus als ein "von ihrem Naturell initiierter Reflex" - ein neues Buch über die Grazer KPÖ-Bürgermeisterin Elke Kahr, das am Samstag erscheint, gibt einen Einblick in die Gedankenwelt der 2021 überraschend an die Spitze der Stadt gewählten Kommunistin. Autorin Silvia Jelincic hat für das Buch die Inhalte von zwei langen Interviews zu einem leicht zu lesenden Fließtext zusammengefasst.

"Irgendwie mag ich es nicht, wenn Papier am Boden liegt", zitiert Jelincic Kahr gleich auf der ersten Seite im Vorwort und beschreibt, wie die Bürgermeisterin ein auf den Boden gefallenes Flugblatt aufhebt und wieder auf einem Zaun zu montieren versucht. Für Kahr war es wohl ein belangloser Nebensatz, doch gibt er viel davon preis, wie die Grazer KPÖ-Chefin tickt. In ähnlicher Manier geht es in dem 128 Seiten umfassenden, gebundenen Büchlein mit dem Titel "Es geht auch anders" weiter.

"Die Politik wirkt oft nicht ausgleichend"

Während Jelincic im Vorwort noch aus der Sicht der Journalistin schreibt und nach dem "Haken" an der stets authentisch wirkenden Kahr sucht, ist der Hauptteil aus der Sicht der Bürgermeisterin verfasst und liest sich beinahe wie eine Biografie. Persönliches, wie etwa ihre Herkunft aus einer Arbeitersiedlung, finden darin Platz, doch das Augenmerk liegt auf politischen Ansichten und Werten, die Kahr vertritt. So spricht sie sich beispielsweise für die 30-Stunden-Woche bei gleicher Bezahlung aus - "Das wäre ein wichtiger Schritt in Richtung sozialer Gerechtigkeit" - oder auch für die Gesamtschule: "Sie ist ein Grundstein für eine gerechtere Gesellschaft und ein zentrales Element moderner Bildungspolitik."

In puncto Natur und Klima sucht Kahr die Schuld am schlechten Zustand der Umwelt bei den Konzernen, "die sie für ihre Profite weiterhin ausbeuten und zerstören". Beim Thema Umverteilung kritisiert sie: "Die Politik wirkt oft nicht ausgleichend, sondern macht sich zu Gehilfen der großen Banken und Konzerne. Während scheinbar nie genügend Geld für Pflege und Kindergärten da ist, spielt Geld plötzlich keine Rolle mehr, wenn es um die Rettung 'systemrelevanter' Banken und Konzerne geht."

In der Politik habe sich ein "System ausgebreitet, in dem einige auf Kosten der Allgemeinheit Netzwerke aufbauen und sich gegenseitig wichtige und gut bezahlte Posten verschaffen. Das zerstört die Glaubwürdigkeit der Politik und gefährdet letztlich auch die Demokratie." Kahr sagt weiter: "Der Kapitalismus privatisiert die Gewinne und sozialisiert die Verluste. Das macht die Reichen auf Kosten der großen Mehrheit noch reicher."

Stalin habe viele Verbrechen zu verantworten

Ganz ohne Selbstkritik bleibt das erste von Kahr autorisierte Buch aber nicht: Stalin habe viele Verbrechen zu verantworten, dass die KPÖ dazu geschwiegen habe, habe nicht dazu beigetragen, ihr Ansehen in Österreich zu stärken. "Wir hätten viel früher deutliche Worte finden müssen."

Der rote Faden durch das Buch sind Songs von John Lennon. "Imagine" beschreibe das, "was ich mir unter Kommunismus vorstelle, auf sehr gut verständliche Weise", so Kahr. "Stell dir vor, es gäbe keinen Besitz mehr, ich frage mich, ob du das kannst. Keinen Grund für Gier oder Hunger, eine Menschheit in Brüderlichkeit." Im Nachsatz zu dieser Textzeile aus dem Song meint Kahr: "Die Vorstellung von der gänzlichen Abschaffung des Besitzes mag tatsächlich naiv sein und wie gesagt auch für uns nicht erstrebenswert, wenn es um privaten Besitz geht und nicht um große Infrastruktur- und Wirtschaftsbetriebe. Doch es sollte uns zu denken geben, dass Menschen diesen Song auch mehr als fünfzig Jahre nach seiner Veröffentlichung noch gern hören."

(APA)

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