Buch

Europa lässt sich nur im Plural verstehen

Der Historiker Timothy Garton Ash begreift Europa als Heimat bedrohter Demokratien – und erzählt die Geschichte des Kontinents neu, ergänzt um Erlebnisse mit Persönlichkeiten wie Václav Havel.

Spätestens seit seinem 1990 erschienenen Buch „Ein Jahrhundert wird abgewählt“ ist Timothy Garton Ash einer der renommiertesten politischen Analysten der jüngeren Zeitgeschichte vor allem des östlichen Teils Europas. Nun unternimmt er in einem neuen Buch den Versuch, die vergangenen 75 Jahre des kontinentalen Europas zu erzählen. Um einen „Versuch“ handelt es sich auch insofern, als der britische Historiker und Publizist ein essayistisches Format wählt, das private Memoiren, Gespräche, Porträts, Tableaus und Reflexionen verbindet. Es steht in der Tradition angelsächsischer Historiografie, ist verständlich, maßvoll, differenziert, mitunter selbstkritisch und fair.

Das Panorama, das Ash dabei entwirft, ist keine neutrale Abhandlung über ein Thema, sondern das persönliche Bekenntnis eines Menschen, der dieses Zeitalter nicht nur besichtigt hat, sondern auch Gesprächspartner und Berater jener Akteure gewesen ist, die das neue Europa gestaltet haben. Dabei treten unvermeidliche Spannungen wie im Falle des Verhältnisses zwischen ihm und dem von ihm bewunderten Václav Havel zutage. Havels Anspruch auf ein Leben in der Wahrheit gilt für den Intellektuellen, wie Ash, niemals aber für den Politiker, der sich mit Halbwahrheiten und Kompromissen herumschlagen muss. Die damit verbundene Ambivalenz westlicher Demokratien müssen wir ertragen.

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