Ex-Familienministerin Sophie Karmasin muss sich wegen des Vorwurfs des schweren Betrugs und wettbewerbsbeschränkender Absprachen verantworten. Sie plädiert auf „nicht schuldig“. Die „Presse“ berichtete live.
Sophie Karmasin hat in ihrem Leben bereits für vielerlei Schlagzeilen samt Fotos gesorgt. Heute, Dienstag, hätte sie beides wohl gerne vermieden - doch der Versuch sollte misslingen. Die heute 56-Jährige, die von der ÖVP als offiziell parteilose Ministerin für Familie und Jugend geholt wurde – vom 16. Dezember 2013 bis zum 18. Dezember 2017 – musste sich wegen des Verdachts auf schweren Betrug und wettbewerbsbeschränkender Absprachen vor einem Schöffensenat unter dem Vorsitz von Richter Patrick Aulebauer verantworten.
„Nicht schuldig“ betonte die verheiratete Mutter zweier Söhne. Und gab an, sich derzeit in Ausbildung zur Psychotherapeutin zu befinden und monatlich 300 Euro an geringfügige Mieteinnahmen zu bekommen. Zu ihrem Vermögen verweigerte sie indes die Aussagen gegenüber dem Richter - Antworten auf Fragen von Oberstaatsanwalt Gregor Adamovic lehnte sie indes gänzlich ab; mit dem Verweis auf „erlittene Traumata“.
„Ich habe das auf die leichte Schulter genommen“
Was Karmasin sodann sehr wohl ausführte: Der Wechsel vom familieneigenen Motivforschungsinstitut in die Politik sei rückblickend betrachtet ein Fehler gewesen. Denn, nach den Jahren als Ministerin, habe es das Institut nicht mehr gegeben und sie sei vor dem beruflichen Nichts gestanden. Daher habe sie „sicherheitshalber eine Entgeltfortzahlung“ beantragt - eine solche steht ehemaligen Ministern für den Zeitraum von sechs Monaten zu, allerdings dürfen sie in dieser Zeit keine anderen Zuverdienste haben. „Ich habe das auf die leichte Schulter genommen“, räumt sie ein und meint damit, dass sie in eben dieser Zeit Vorträge und Workshops abgehalten und mit Sebastian Kurz sogar in einem „Sommergespräch“ für den Sender „Puls4“ aufgetreten sei. „Es tut mir leid. Aber ich habe das Doppelte des Brutto-Bezuges zurückbezahlt.“
Dass sie die Rechnungen für diese Projekte erst im Nachhinein stellte - als die Entgeltfortsetzung beendet war - sei ein Zufall gewesen. Grund dafür sei, dass sie gedacht habe, als Privatperson keine Rechnungen stellen zu können, als sie dann Mitte 2018 „ein Ein-Frau-Unternehmen“ aufgezogen und beruflich „neu angefangen habe mit Verhaltensökonomie“, habe sie auch „verrechnen“ können, so ihr Gedanke. Eine Arbeit aus diesem Bereich habe sie im Sportministerium vorgestellt, sei auf Begeisterung gestoßen und habe sodann zwei Studien für dieses durchgeführt.
Allerdings: „Der Sektionschef hat mir signalisiert, dass er damit arbeiten und schnell in die Umsetzung kommen will“, so Karmasin. Das sei im März 2019 gewesen. Man habe ihr gesagt, es handele sich um eine Direktvergabe des Auftrages. „Das war für mich nachvollziehbar, weil ein Konzept unter 100.000 Euro so vergeben werden kann“, sagt Karmasin. Am 5. April 2019 habe man sie dann jedoch gebeten, „für nachträgliche Dokumentationszwecke zwei weitere Angebote“ zu beschaffen: „Ich wurde gebeten, zwei vertrauenswürdige Unternehmen zu bringen und sie anzuleiten.“ Sie habe sich gewundert, sei dem Wunsch aber nachgekommen und habe ihre ehemalige Mitarbeiterin Sabine Beinschab genannt. Karmasin heute: „Ich habe mich einspannen lassen.“
WKStA: „Das Motto war: immer mehr, nie genug“
Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) sieht das anders. „Ihr Motto war: immer mehr, nie genug, und zahlen sollen es die anderen“, meinte Staatsanwalt Adamovic und ortete „Sozialleistungsbetrug der für Sozialleistungen zuständigen Ministerin“. Karmasin habe nach der Politik ein Berufsverbot gehabt: „Kann eine hochgebildete Frau mit zwei abgeschlossenen Studien daran irgendetwas missverstehen?", fragt er. „Eine große Farce“ sieht er überdies in der Art und Weise, wie im Sportministerium „Scheinangebote“ eingeholt wurden. Und er glaubt: Hätte es im Oktober 2021 nicht eine Hausdurchsuchung bei Karmasin gegeben, würde das noch heute so gehandhabt. Für Adamovic ist klar: Die „Suppe“ sei nicht nur cremig, sondern „so dick, dass der Löffel stecken bleibt, wenn man ihn loslässt“.
Karmasins Verteidiger, Norbert Wess, sieht das anders. Die WKStA sei „großteils falsch abgebogen“, ihre Bewertung „eklatant falsch“, da sie nur das Strafrecht, nicht aber das Wirtschaftsstrafrecht in Betracht ziehe. Tatsächlich habe Karmasin ein Konzept vorgelegt, habe als einzige Forscherin das dafür nötige Wissen gehabt und habe auch gleich einen Preis vorgelegt. Der Durchführung stand somit nichts im Wege. Trotzdem seien Vergleichsangebote eingeholt worden und Karmasin sei „so naiv“ gewesen, dem Ministerium „vertrauenswürdige Personen“ zu nennen. Aber: „Ein Wettbewerb hat also nicht stattgefunden - er hätte gar nicht stattfinden dürfen.“ Das sei allen Beteiligten klar gewesen, insofern sei auch niemand getäuscht worden. Soll heißen: „Meine Damen und Herren, liebe WKStA, das geht sich hinten und vorne nicht aus.“
Ein wenig komplizierter sei das bei dem zweiten Anklagepunkt: Also dem Vortrag „für diese depperten 800 Euro“, wie Wess meint. Der Anspruch auf dieses Honorar stamme nämlich aus der Zeit, als sie noch Ministerin war, gehalten habe sie den Vortrag aber in der Zeit danach. Es sei insofern als „Altanspruch“ zu sehen. Nichtsdestoweniger: Karmasin habe alles brutto zurückbezahlt und das sei deutlich mehr, als sie netto erhalten habe. Nämlich mehr als das Doppelte. „Und das aus der Haft heraus.“
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