Autowäsche

Mein wunderbarer Autowaschsalon: Umsatz mit Hochglanz

95 Meter in die Sauberkeit: Günther Kantor vor Österreichs größter Indoor-Waschstraße in Wien Auhof.
95 Meter in die Sauberkeit: Günther Kantor vor Österreichs größter Indoor-Waschstraße in Wien Auhof.Die Presse/Clemens Fabry
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Manche machen es nur nebenbei, wenn's unbedingt notwendig ist, andere mit größter Hingabe: Das Geschäft mit der Autowäsche gedeiht und ist stark im Wachsen. Große Ketten bereiten nun den Markt auf – denn womit Autos in Zukunft fahren, spielt für sie keine Rolle. Besuch bei Österreichs größter Indoor-Waschanlage.

Es heißt ja manchmal: Wenn's die Leut' mit der Körperpflege nur genauso halten würden wie sie ihre Autos waschen! Wie auch immer es die Bevölkerung mit täglich Duschen, Mundhygiene, Tausch von Socken und Unterhose hält, das rollende Mobiliar auf unseren Straßen wird durchwegs und sogar recht pingelig sauber gehalten.

Laut einer deutschen Studie erklären nur acht bis zehn Prozent der Befragten, ihr Auto so gut wie nie zu waschen oder waschen zu lassen. Ein Drittel dagegen tut dies einmal im Monat, im Schnitt wird ein Auto sechsmal im Jahr gewaschen. Man ahnt, dass wir es mit einem soliden Business Case zu tun haben. Bei 65 Mio. Autos in Deutschland errechnen sich mit den Zahlen der Studie rund 400 Mio. Autowäschen im Jahr, umgelegt auf Österreich wären es über 30 Millionen.

Gut belegt sind die Umsätze, und dass es sich um einen Wachstumsmarkt handelt: Wurden 2009 mit der Autowäsche in Deutschland 900 Mio. Euro erwirtschaftet, waren es 2020 bereits über 1,43 Mrd. Euro.

In unserem Nachbarland steht, vielleicht nicht überraschend, Europas größte Autowaschanlage. Im Ortsteil Feuerbach in Stuttgart, Heimat von Bosch, Mercedes und Porsche, werden an einem guten Tag 4000 Autowäschen und 1000 Innenreinigungen verkauft. Schon eine kleine Anlage, meist im Anhang von Tankstellen, kann zwischen 250.000 Euro und einer halben Mio. im Jahr erwirtschaften. Im Servicegeschäft von Tankstellen ist die Autowäsche der größte Umsatzbringer.

Eine Klärung. Das ruft zunehmend Ketten auf den Plan, die es auf einen bislang von Kleinunternehmern dominierten Markt abgesehen haben. 2021 ging in den USA Mister Car Wash an die Börse und sammelte dabei über 400 Mio. Dollar ein. Offenbar gut investiertes Geld, denn das Unternehmen weist eine Umsatzrendite von stolzen 30 Prozent aus. Und obwohl man die Nummer eins auf dem Markt ist, hält Mister Car Wash bislang nur drei Prozent vom Gesamtgeschäft in den USA.

In Wien Auhof steht Österreichs größte Indoor-Autowaschanlage, errichtet und betrieben von der Tochtergesellschaft einer Schweizer AG, deren Gründer die Brüder Herbert und Markus Oberscheider aus Vorarlberg sind.

Wien Auhof ist der jüngste und größte Standort des Unternehmens. 2021 fertiggestellt, erstreckt sich die Betriebsfläche auf 12.000 Quadratmeter. Hausherr ist Günther Kantor, 60, der in Wien und am Standort St. Pölten als Leiter nach dem Rechten sieht.

Wir beginnen die Tour, wo sie für Kunden eigentlich endet – bei der Klärung und Aufbereitung des Abwassers. Von den 800 Litern, die für ein Fahrzeug verwendet werden, so Kantor, würden 95 Prozent wiederverwendet, pro Waschvorgang kämen nur 40 Liter (entkeimtes) Frischwasser ins Spiel. Ein Großteil der Technik ist unterirdisch verlegt, Leitungen, Waben, Klärbecken, auch solche, in denen „Bakterien den Schmutz auffressen“.

Sprühen, schäumen, schrubben und trocknen: Vier Minuten, dann geht's zum Saugplatz.
Sprühen, schäumen, schrubben und trocknen: Vier Minuten, dann geht's zum Saugplatz.Die Presse/Clemens Fabry



Herzstück der Anlage ist aber die Waschstraße selbst, frei stehend in der großen Halle errichtet – „Open Kitchen“ nennen das die Betreiber, „statt dass man durch einen dunklen Schlauch gezogen wird“. Gleich zur Unterscheidung: Es gibt Portalwaschanlagen, die sich um das Auto herum bewegen, wie bei Tankstellen üblich, und eben Waschstraßen, die mehr Platz brauchen. In diesem Fall: 95 Meter, die ein Auto in vier Minuten zurücklegt. Am Anfang steht der Vermessungsbogen, der per Laser die Abmessungen des Fahrzeugs erfasst; was in der Folge an automatischen Apparaturen auf Tuchfühlung mit dem Auto geht, etwa die Rundumwäscher, basiert auf diesen Daten. Alles ist elektrisch betätigt und computergesteuert.

Rumpel. Der Einstieg in die Straße ist auch der Punkt, an dem viele Autobesitzer ihr Gefährt näher kennenlernen. Weil es immer mehr Dinge selbsttätig tut, die manchmal nicht gefragt sind: die Parkbremse aktivieren zum Beispiel. Das kann schon der Fall sein, wenn man nur die Zündung abstellt, oder wenn ein aufgescheuchtes Assistenzsystem („Hill Assist“) zur Hilfe eilt. Man sieht dann immer wieder ein Auto stehen, während unter dem Reifen die Förderkette durchrumpelt.

„Passieren kann nix“, sagt Kantor. Deshalb ist hier aber immer Personal im Einsatz, das traumwandlerisch Anweisungen zum Deaktivieren von diesem oder jenem gibt. Fiat und Tesla, erläutert der Betriebsleiter, hätten ein eigenes Waschstraßenprogramm. Die Funktion muss man aber auch erst einmal finden. Viele Menschen sind ja ein klein wenig aufgeregt, wenn es in die Waschstraße geht. War man soeben noch Herr oder Herrin des Geschehens, ist man plötzlich äußeren Kräften überantwortet. Wenn nur alles dichthält!

Kleine Kinder kann man noch mächtig beeindrucken, wenn die nassen Walzen über Fenster und Glasdach rotieren und man bald nur noch Schaum sieht. Faszinierend: wie Baden, ohne nass zu werden.

So rollt man durch alle Stationen der Reinigung; besprüht, bespritzt, abgeschrubbt, klar gewaschen; mit Osmose-Wasser geläutert (gegen Kalkflecken), bis es zum Föhnen geht: ein kurzer Wüstensturm, nur ohne Sand. Zugabe: Durchdringen einer Wand aus zappeligen Putzkörpern, die sie „Pommes“ nennen und die einem das Abledern letzter Wassertropfen abnehmen.

Den Erlebnischarakter des Autowaschens sollte man ohnehin nicht unterschätzen. Nachdem man es vor dem Haus, unten auf der Gasse, sogar auf dem eigenen Grundstück nicht mehr ausüben darf, wie es früher gang und gebe war – längst wasserrechtlich untersagt – , hat sich der Vorgang in eine Dienstleistung verlagert, die in De-luxe-Variante wie in Auhof 27 Euro kosten kann. Mit Waschkarte für Stammkunde gibt's Rabatt, über 6000 habe man an dem jungen Standort schon verkauft. Mister Car Wash in den USA fährt ein Abomodell: Monatlich zahlen, beliebig oft waschen.

Um die fünf Mio. Euro investiert Oberscheider in einen Standort, in Auhof mehr, weil die Anlage viel größer ist. Es ist in der Halle Platz für eine zweite Waschstraße; der Betreiber will sie errichten, sobald 100.000 bis 120.000 Autowäschen im Jahr erreicht sind. Günther Kantor zweifelt keine Sekunde, dass sie bald kommen wird.

Mit der jetzigen Anlage schaffe man bis zu 110 Autos pro Stunde. Personal braucht es indes wenig; sieben oder acht Personen, sagt Kantor, und die seien hauptsächlich mit Sauberhalten und Reinigen der Anlage beschäftigt: „Wie kann ich Sauberkeit verkaufen, wenn's nicht sauber ist?“ Nur hin und wieder sei Disziplin von Kunden einzumahnen, die etwa einen der angeschlossenen 47 Saugplätze zu lang okkupieren, während alle anderen belegt sind. Hier findet das eigentliche, im Preis inkludierte Ritual statt: Auf dem Saugplatz geht's in die Tiefe.

Dass diese Orte auch auf die Menschen, die sie frequentieren, eine reinigende Wirkung haben, steht außer Frage. Deswegen auch das erfolgreiche Indoorkonzept: von Wetter und äußeren Fährnissen unbehelligte Introspektion. Wir sehen eine Frau, die es sich auf dem Campingsessel bequem gemacht hat und mit Thermoskanne auf längeres Verweilen eingerichtet ist, während der Mann die sonst ungewohnte Rolle der Putzfee übernommen hat; Teppiche, Ritzen und Fugen saugt, Matten wäscht, Scheiben poliert, zärtlich, kompetent, mit Hingabe und Liebe.

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