Pizzicato

Forever young in Salzburg

Immer weiter über die Straße des Lebens.Greber
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Da war einmal etwas im Zusammenhang mit dieser Stadt, das mich bis heute melancholisch, ja betrübt macht. Heute nach der Wahl dürfte es anderen Leuten aus anderen Gründen ähnlich gehen.

Wir fuhren auf der Autobahn über den Walserberg nach Salzburg. Es war kurz nach Mitternacht. Wir paar Lümmel waren zuvor im „Grand Filou“ in Piding gewesen, einer angesagten Disco der rustikaleren Art in dem Ort gleich links der Saalach in Bayern. Hemden, Jeans, Sakkos, wir tranken Weizen, shakten zu Depeche Mode und Co. ab.

Irgendwann knutschte C. mit einem Girl herum, auf dem Weg zum Klo räumte im Gedränge mein rechter Ellbogen unbemerkt die Drinks auf einem Stehtisch ab. Von hinten packte mich eine Hand am Kragen, riss mich förmlich einen Meter zurück. Da stand eine riesige Lady, die streng sagte: „He, Burschi, Du hast unsern Tisch zerstört.“ Ich antwortete: „He, ich geh mal aufs Klo, dann komm ich mit 'nem Wein rüber." (In der ersten Satzhälfte hab ich es derber formuliert, aber lassen wir das.) Und so geschah es. Ich plauderte noch ein wenig mit der 1,90-Lady und ihrer Freundin. Mehr war da nicht. Lässiges Lokal. Gibt's glaub ich nimmer.

Dann Lokalwechsel Richtung Salzburger Innenstadt. Auf der Autobahn hebt im Fiat Panda von A. (er als Fahrer war praktisch nüchtern, es gab damals ja auch noch die Grenze samt Kontrollen) „Forever Young“ von Alphaville an, der legendären deutschen Elektropopband. Das große Drama über die Jugend, das Leben und so weiter. Mit so wunderbaren Zeilen wie: „Let us die young or let us live forever. We don't have the power but we never say never. Sitting in a sandpit, life is a short trip. The music's for the sad men.“

Oder: „It's so hard to get old without a cause. I don't want to perish like a fading horse. Youth's like diamonds in the sun. And diamonds are forever."

Refrain:

Forever young
I want to be forever young
Do you really want to live forever?
Forever, and ever
Forever young
I want to be forever young
Do you really want to live forever?
Forever young

Wir kippen in das Lied, singen laut mit. Das Leben ist cool. Wir sind cool. Kühler Fahrtwind bläst durchs Fenster. Als bei Minute 2:50 nach dem letzten Refrain dann diese helle elektronische Trompete mit ihrem himmelhoch jauchzenden, zu Tode betrübten Tremolo einsetzt, sitz ich hinten im Auto und blas es auf einer soeben ausgetrunkenen mexikanischen Bierflasche nach. Großes Gebrüll. We feel good. Wir sind jung. Für immer.

Das also war anno 1990. Immer, wenn man etwas größeres aus Salzburg hört, denk ich an diesen kristallklaren Moment zurück, und werde melancholisch. Oder betrübt. Heute fühlt sich jemand in Salzburg (und anderswo) wohl auch so. Halt aus anderen Gründen. (wg)

Reaktionen an: wolfgang.greber@diepresse.com


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