Mit Federn, Hautund Haar

Windräder sind nicht das große Problem im Vogelschutz

Ungesicherte Mittelspannungsmasten verursachen den Tod zahlloser Uhus, Bussarde und Störche. Die Energiewende erfordert den Ausbau der Speicher und Netze – man sollte diese Masten gleich flächendeckend isolieren!

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Jede Form der Energiegewinnung hat ihren ökologischen Preis. Die fossilen Energieträger bescheren uns die Erderwärmung, aber auch die erneuerbaren beeinträchtigen massiv die Umwelt. So zerstört der Bau von Wasserkraftwerken großräumig einzigartige Lebensräume, was unter anderem zum Aussterben ganzer Fischfaunen führt. Und die derzeit knapp 1500 Windräder in Österreich (für die Energiewende braucht es doppelt so viele) klatschen Vögel und Fledermäuse zu Tode. Einzig die Fotovoltaik gestaltet sich naturverträglich „minimalinvasiv“ – so ihre Paneele ohnehin schon versiegelte Flächen wie Hallendächer besiedeln oder Supermarktparkplätze beschatten.

In Spanien wurden durch 4083 Windräder über sechs Jahre 732 Gänsegeier getötet. In Deutschland geht man von bis zu vier toten Vögeln pro Windrad und Jahr aus, für Frankreich und auch für Niederösterreich von rund sieben. Eine beträchtliche Dunkelziffer ist anzunehmen, weil häufig Füchse und Marder die Opfer beseitigen, bevor sie gefunden werden. Technische Schutzmaßnahmen, etwa kontrastreichere Rotorblätter oder AI-gestützte Abschalteinrichtungen, stehen in Konflikt mit einer möglichst unauffälligen Gestaltung bzw. mit der Effizienz der Anlagen.
Aber sind Windräder tatsächlich die ganz schlimmen Vogel-killer? Der Naturschutzbund errechnete für Deutschland (jeweils in Millionen toter Vögel pro Jahr): 170 durch Landwirtschaft, 108 durch Gebäude, 70 durch Verkehr, 60 durch frei laufende Hauskatzen (!), 1 durch Jagd und 0,1 durch Windräder. Für Österreich mögen zehn Prozent dieser Zahlen gelten. Damit werden etwa 0,02 Prozent der Vogelverluste durch Windräder verursacht.

Natürlich – jeder getötete Vogel ist einer zu viel, zudem ist der Vergleich irreführend, weil die verschiedenen Ursachen unterschiedliche Vogelarten gefährden. An Windrädern erwischt es vor allem die Großen, wie Greifvögel, Störche etc. Letztlich vergleicht man hier Äpfel mit Birnen. Aber jedenfalls sind Windräder nicht die Vogelkiller Nummer eins. Nach Recherchen des „Standard“ (November 2021) tötet die Windkraft pro Einheit gewonnener Energie rund 15 Mal weniger Vögel als fossile Quellen. Die Energiewende mittels Wind dient also per se dem Vogelschutz! Alles paletti ist deswegen noch lang nicht. So birgt das Stromleitungsnetz arge Todesfallen. In den Niederlanden wurden 217 tote Vögel pro Jahr und Kilometer (!) Hochspannungsleitung gezählt. In Deutschland ist daher – mit Ausnahme des Bahnnetzes – die Isolierung von Mittelspannungsmasten gesetzlich vorgeschrieben.
Nicht so in Österreich. Hier verursachten ungesicherte Mittelspannungsmasten 45 Prozent der Todesfälle unter den seit zehn Jahren mühsam wieder angesiedelten Waldrappen – nebst dem Tod zahlloser Uhus, Milane, Bussarde und Störche. Manche Vögel fallen brennend vom Mast, was angesichts der immer trockeneren Sommer die Waldbrandgefahr erheblich verschärft. Da aber die Energiewende vor allem auch den Ausbau der Speicher und Netze erfordert, wäre das eine gute Gelegenheit, nach deutschem Vorbild und mit überschaubarem Zusatzaufwand diese Masten flächendeckend zu isolieren – welch großartige Gelegenheit für die E-Wirtschaft, effizient in den Artenschutz zu investieren und die Verluste durch die unvermeidlichen Windräder mehr als zu kompensieren!Kurt Kotrschal, Verhaltensbiologe i. R. Uni Wien, Sprecher der AG Wildtiere im Forum Wissenschaft & Umwelt. E-Mails an: debatte@diepresse.com

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