Kritik

Burgtheater: Am Ende siegt der Kapitalismus – oder?

(c) (c) Matthias Horn (Matthias Horn)
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Was für ein raffiniert gebautes, das Politische im Privaten spiegelndes Stück: „Drei Winter“ von Tena Štivičić über die Geschichte einer Zagreber Familie – in der nicht ganz (manchmal aber doch) kongenialen Regie von Martin Kušej.

Und dann sitzt Vlado (Norman Hacker) an der Bettkante, in der Hand die glänzenden schwarzen Halbschuhe, frisch geputzt für die Hochzeit seiner Tochter, und versteht die Welt nicht mehr. Er versteht nicht, warum seine Frau Mascha (Regina Fritsch) nicht schlafen kann. Warum sie ihm ausgerechnet jetzt erzählen muss, dass sein bester Freund, sein Stevo! sie überreden wollte, mit ihm nach Dubai zu ziehen. Und er versteht nicht, dass sie plötzlich alles in Frage stellt. Dass sie sagt: „Die Ehe ist mehr als eine Doppelschicht.“ Er war doch glücklich: „Also habe ich angenommen, dass du mit mir glücklich warst.“ Und weil Kušej Kušej ist und Spaß hat an starken Bildern, liegt auf dem Boden Watte, weiche Watte überall, oder sind es Federn, und er lässt Hacker sich auf den Bühnenboden legen und mit ausgebreiteten Armen rudern, ein Schnee-Engel ohne Schnee, der keine Spuren hinterlässt. Alles umsonst.

Wer jetzt freilich glaubt, diese Ehe sei zu Ende, der hat zu kurz hingeschaut. Da gibt es vieles, das die beiden eint: Sorge um die Kinder. Sorge ums Land, um die „alten“ Werte. Diese Szene spielt nämlich 2011, die Tochter heiratet einen Investor, einen der brutalen Sorte: der Firmen und Immobilien aufkauft, Leute rausschmeißt, Mieter bedroht; auch ihr Haus hat er gekauft und die Mitbewohner müssen ausziehen. Mascha und Vlado sind im Kommunismus groß geworden, sie haben als Erwachsene den Bürgerkrieg miterlebt und werden nun im Kapitalismus alt. Sie waren Jugoslawen, mussten erfahren, dass sie nur noch Kroaten sind. Jetzt sollen sie Mitglieder der EU werden? Und was wird mit ihrer Tochter? Und mit der anderen?

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