Sipri-Bericht

Die Welt hat noch nie so viel Geld für Rüstung ausgegeben

Versandfertige 155-mm-Artilleriegranaten werden am 12. April 2023 in der Scranton Army Munitionsfabrik im US-Bundesstaat Pennsylvania, gelagert.
Versandfertige 155-mm-Artilleriegranaten werden am 12. April 2023 in der Scranton Army Munitionsfabrik im US-Bundesstaat Pennsylvania, gelagert.APA/Getty Images via AFP/GETTY I
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Nicht nur der Ukraine-Krieg lässt die weltweiten Militärausgaben auf einen Rekordwert hochschnellen. Alleine die USA haben mit 877 Milliarden Dollar einen Anteil von 40 Prozent an den weltweiten Ausgaben für Rüstung. In Europa wird teurer aufgerüstet, als am Ende des Kalten Krieges.

Krieg in der Ukraine, Sorge um eine Eskalation im Konflikt um Taiwan, territoriale Streitfragen im Südchinesischen Meer - und die Liste der weltweiten Krisenherde ist 2022 nicht kürzer geworden. Die weltweite politische Lage schlägt sich auch in den Ausgaben für Rüstung nieder. Zum achten Mal in Folge wurde auch 2022 wieder mehr Geld für Waffen ausgegeben, als im Jahr zuvor - allerdings: 2022 war der Anstieg besonders groß, das geht aus einem Bericht des Stockholmer Internationalen Friedensforschungsinstituts (Sipri), der am Montag veröffentlicht wurde.

Die weltweiten Militärausgaben sind diesmal um 3,7 Prozent auf den neuen Höchststand von 2,24 Billionen Dollar (2,05 Billionen Euro) gestiegen. In Europa gab es überhaupt den stärksten Anstieg seit mindestens 30 Jahren. Der bei weitem stärkste Ausgabenanstieg mit 13 Prozent war laut Sipri in Europa zu verzeichnen. Die Militärhilfe für die Ukraine und die Besorgnis über eine verstärkte Bedrohung durch Russland hätten aber auch Rüstungs-Entscheidungen vieler anderer Staaten beeinflusst, ebenso wie die Spannungen zwischen China und Taiwan.

USA geben dreimal so viel Geld für Rüstung aus wie China

Die USA führen das Ranking jener Länder an, die am meisten Geld für Rüstung ausgeben. 877 Milliarden Dollar haben die Vereinigten Staaten ausgegeben, was 39 Prozent der gesamten weltweiten Militärausgaben entspricht. Auf Platz zwei folgt China - mit 292 Milliarden. Die USA geben also dreimal so viel Geld für Rüstung aus wie China. Die russischen Militärausgaben stiegen im Vorjahr um rund 9,2 Prozent auf rund 86,4 Milliarden Dollar, was einen Sprung vom fünften auf den dritten Platz des Sipri-Rankings ergibt. Die von Russland Ende 2022 veröffentlichten Zahlen zeigen, dass die Ausgaben für die "Landesverteidigung" auch im Budget bereits um 34 Prozent höher waren als 2021. Das deute darauf hin, dass die Invasion in der Ukraine Russland weit mehr gekostet habe, als es Präsident Wladimir Putin erwartet hätte, sagte Lucie Béraud-Sudreau, Direktorin des Sipri-Programms für Militärausgaben und Rüstungsproduktion.

Rang vier belegt Indien - mit 81,4 Milliarden Dollar (plus sechs Prozent), gefolgt von Saudiarabien auf Rang fünf (75 Mrd. US-Dollar, plus 16 Prozent).

Die Militärausgaben der Ukraine erreichten im Jahr 2022 44 Milliarden Dollar. Mit 640 Prozent war das der höchste Anstieg der Militärausgaben eines Landes in einem Jahr, der jemals in den Sipri-Daten verzeichnet wurde. Infolge dieses Anstiegs und der kriegsbedingten Schäden an der ukrainischen Wirtschaft stieg die militärische Belastung (Militärausgaben im Verhältnis zum BIP) von 3,2 Prozent im Jahr 2021 auf 34 Prozent des BIP im Jahr 2022.

Mehr Rüstungsausgaben als gegen Ende des Kalten Krieges

Die Militärausgaben der mittel- und westeuropäischen Staaten beliefen sich im Jahr 2022 auf insgesamt 345 Milliarden Dollar. Real überstiegen sie damit zum ersten Mal die Ausgaben von 1989, als der Kalte Krieg zu Ende ging. Mehrere Staaten haben ihre Militärausgaben nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine im Februar 2022 deutlich erhöht, andere kündigten an, die Ausgaben über einen Zeitraum von bis zu einem Jahrzehnt zu erhöhen. Einige der stärksten Anstiege wurden in Finnland (36 Prozent), Litauen (27 Prozent), Schweden (12 Prozent) und Polen (11 Prozent) verzeichnet.

"Der Einmarsch in die Ukraine hatte unmittelbare Auswirkungen auf die Entscheidungen über Militärausgaben in Mittel- und Westeuropa. Dazu gehörten mehrjährige Pläne zur Erhöhung der Ausgaben mehrerer Regierungen", sagte Dr. Diego Lopes da Silva, leitender Forscher des Sipri-Programms für Militärausgaben und Rüstungsproduktion. "Infolgedessen können wir davon ausgehen, dass die Militärausgaben in Mittel- und Westeuropa in den kommenden Jahren weiter steigen werden."

Dabei wurde der reale Anstieg der weltweiten Militärausgaben im Jahr 2022 laut Sipri noch durch die Auswirkungen der Inflation gebremst, die in vielen Ländern so hoch war wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Ohne Inflationsbereinigung seien die Gesamtausgaben weltweit um 6,5 Prozent gestiegen.

USA mit Abstand größter Geldgeber für Aufrüstung der Ukraine

Genauer beleuchtet hat Sipri auch die westliche Militärhilfe für die Ukraine nach dem Einmarsch Russlands im Februar 2022. Demnach stellten die USA Kiew Unterstützung im Wert von 19,9 Milliarden Dollar zur Verfügung, die größte einschlägige Zuwendung eines Landes an einen Empfänger in einem Jahr seit dem Ende des Kalten Krieges. Zweit- und drittgrößte Geber waren Großbritannien mit 2,5 Milliarden und Deutschland mit 2 Milliarden Dollar. Auf diese drei Länder entfiel der größte Teil der finanziellen Militärhilfe, die die Ukraine im Jahr 2022 erhielt.

Zusammen mit mehr als 20 weiteren Staaten, die laut Sipri allerdings keine detaillierten Zahlen veröffentlichten, schätzen die Stockholmer Friedensforscher das gesamte Ausmaß der finanziellen Militärhilfe an die Ukraine im Vorjahr auf mindestens 30 Milliarden US-Dollar - und das ohne die tatsächlichen Waffenlieferungen: Die Schätzung des Sipri umfasst finanzielle Beiträge, Ausbildungs- und Betriebskosten, Wartungskosten für die der Ukraine gelieferte militärische Ausrüstung und Zahlungen für die Beschaffung zusätzlicher militärischer Ausrüstung - aber nicht den geschätzten Wert der an die Ukraine gelieferten militärischen Ausrüstung.

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(APA)

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