Quergeschrieben

Die Steigerung von Spinnefeind ist bekanntlich Parteifreund

Weiß wählen zu können, wäre für frustrierte Wähler (m/w/*) eine echte Option. Da gäbe es viele vakante Sessel: Hui, da wären Parlament und Landtage ziemlich leer.

Waffenlieferungen an die Ukraine, Friedensappelle von Alice Schwarzer und Co., Zar Putins Großmachtfantasien, die Rekapitulation von Julian Hessenthalers Ibiza-Inszenierung am Wiener Volkstheater, genderpolizeiliche Sprachmaßnahmen, Cancel Culture, Schwarz-Blau in Niederösterreich, Sebastian Kurz im „Zentrum“, Österreichs Neutralität, postcovidiale Verschwörungsblödsinnigkeiten, rote Selbstzerfleischungen, freiheitliche Höhenflüge nach Ibiza, türkise Korruptionsbefälle, flügellahme Neos, grüne Sitzenbleiber, wiederauferstandene Kommunisten, Krankenhausmisere, Klimawandel, #MeToo, parlamentarische U-Ausschüsse, et cetera, et cetera: Ohne mildernde Zwischentöne geben einander Twitterblasenfreunde und Stammtischfremde in Print-, TV-, Online- und sozialen Medien oder bei privaten Abendessen Pro oder Kontra, aber nur ja nie nach. Dass unterschiedliche Gesellschaftsmodelle in Konkurrenz zueinander stehen und mitunter recht ungebremst aufeinanderprallen, gehört zum Wesen der Demokratie. Doch es scheint, als ginge es eher um Spinnefeindschaft als um konstruktive Zukunftsgestaltung. Wobei: Auch in meiner Jugend waren einander Schwarz und Rot nicht grün, Freundschaften zwischen eingeschworenen Sozis und überzeugten Konservativen gab es – selten. Selbst die Gasthäuser ließen sich, zumindest auf dem Land, parteipolitisch zuordnen; notfalls machte man einen Bogen um die jeweils andere Stammtischblase – oder setzte sich provokant mitten hinein.

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Wie ich an dieser Stelle schon einmal erzählt habe, war mein lang verstorbener Vater ein in der Wolle gefärbter ÖVPler. Besonders gern ärgerte er mich und meine linksgrünalternativen Freunde mit dem Satz, er würde am Tag vor seinem Tod der SPÖ beitreten, nur damit es am Tag danach einen Roten weniger geben würde. Sein undifferenziertes Parteilagerdenken prägte mich: So nicht! Heute ist dieses vulgärbinäre Gut-Böse-Politstrickmuster allerdings wieder hoch in Mode. Wer parteipolitisch vorgestanzte Diskurspfade verlässt, wird mit Links-rechts-Gnackwatschen rasch wieder auf Linie gebracht. „Es ist eine Zeit, in der man allergisch ist gegen Zweideutigkeit“, diagnostiziert der französische Philosoph Alain Finkielkraut: „Die Politik wird nach dem Modell des Kriegs gepflegt und nicht nach dem Modell des Gesprächs.“

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