Prozess

„Frau Karmasin, Sie sind kein Justizopfer“

Buchstäblich abgeschirmt von ihren Anwälten Philipp Wolm (vorne links) und Norbert Wess wartete Sophie Karmasin am Dienstag auf ihren Richter. Im Hintergrund: die beiden Vertreter der WKStA, Christina Jilek und Gregor Adamovic.
Buchstäblich abgeschirmt von ihren Anwälten Philipp Wolm (vorne links) und Norbert Wess wartete Sophie Karmasin am Dienstag auf ihren Richter. Im Hintergrund: die beiden Vertreter der WKStA, Christina Jilek und Gregor Adamovic.APA/GEORG HOCHMUTH
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Verhandlungstag eins geriet zur schonungslosen Abrechnung der WKStA mit Ex-Familienministerin Sophie Karmasin.

Der erste Eindruck, den das Saal-Publikum von der angeklagten Ex-Ministerin hatte: Von der medienbewussten Politikerin ist nichts übrig geblieben. Sie ist scheu. Will keine Öffentlichkeit. Die erste Aufgabe ihrer beiden Anwälte bestand darin, sich so hinzustellen, dass Sophie Karmasin, so gut es geht, verdeckt wird. So richtig gut ging es nicht.

Als die vielen neugierigen Kameraaugen verschwunden waren, schlug die Stunde der Korruptionsstaatsanwaltschaft, der WKStA. Diese wurde von den Oberstaatsanwälten Gregor Adamovic und Christina Jilek repräsentiert. Den Eröffnungsvortrag hielt Adamovic und sehr schnell wurde klar: Es ist eine große Rede, die man da hört; eine Rede, die viel mehr an die (Prozess-)Öffentlichkeit und die beiden Laienrichterinnen des Schöffensenats gewandt ist, als an den vorsitzenden (Berufs-)Richter. Denn es ging nicht vordringlich um das Rechtliche, sondern darum ein bestimmtes Bild, ein bestimmtes Image zu erzeugen. Nämlich jenes der gierigen, in die eigene Tasche wirtschaftenden (Ex-)Politikerin.

Der Ankläger trat als Verbündeter des Publikums, als Verbündeter aller Steuerzahler auf, erinnerte diese: „Sie alle sind die Betrogenen. Karmasin hat jede sich bietende Gelegenheit zur Gewinnmaximierung ausgenutzt.“ Sie habe nach ihrer Ministerzeit Bezugs-Fortzahlungen erhalten, obgleich sie andere Bezugsquellen gehabt habe. Nämlich Provisionsansprüche aus Aufträgen für Studien, die ihre frühere Mitarbeiterin Sabine Beinschab (die nunmehrige Kronzeugin) erhalten hatte. Und Ansprüche auf Honorare für Vorträge. Insgesamt um die 55.000 Euro. Es sei schwerer Betrug, wenn man angibt, nichts zu verdienen, wenn man dann noch monatelang 75 Prozent des Ministergehalts bezieht, aber in Wahrheit bereits andere Einnahmequellen erschlossen hat. Weiter: „Sie nehmen betrügerisch Sozialleistungen in Anspruch, obwohl Sie Millionärin sind.“

„Das tut mir leid"

Darauf sollte Karmasin später kontern. Und zwar so: „Ich habe Entgeltfortzahlungen beantragt, da ich vor einer komplett ungewissen beruflichen Zukunft stand. Ich hätte sensibler damit umgehen müssen. Ich hatte das naive Verständnis, dass die Anbahnung einer neuen Beschäftigung, die Entgeltfortzahlung nicht hemmt. Das war ein Fehler. Und das tut mir leid.“ Im rechtlichen Sinn sei sie aber nicht schuldig.

Ihr Anwalt Norbert Wess stieß sich zunächst am Stil der WKStA und griff deren Worte auf: „Das teure Haus, die schöne Aussicht. Und sie ist Millionärin. Das ist doch alles nur Polemik.“ Es stehe fest, dass Karmasin die ausbezahlten Bezüge zurückbezahlt habe. Und das sei tätige Reue, weshalb seine Klientin straffrei sei. Die Rückzahlung erfolgte allerdings erst im März 2022, vier Jahre nach dem Bezug der Gelder. Und da war noch etwas, in diesem März.

Karmasin saß fast vier Wochen in U-Haft. Vorwiegend wegen der Inseraten-Affäre, die aber nicht Gegenstand dieses Prozesses ist. Zu dieser für sie dunklen Zeit nahm die vormals von der ÖVP nominierte Ministerin (Amtszeit: 2013 bis 2017) Stellung: Sie sei nun einigermaßen nervös, „denn die vierwöchige Haft in diesem Gebäude hat mich schon sehr beeindruckt“. Mittlerweile mache sie eine Ausbildung zur Psychotherapeutin. Und auch das: „Mein Wechsel in die Politik war eine falsche Entscheidung.“

Wettbewerbsbeschränkende Absprachen

Aber wieder zurück zum Eröffnungsvortrag der WKStA. Noch ein zweiter Vorwurf wurde thematisiert. Der Angeklagten wird auch das Vergehen der wettbewerbsbeschränkenden Absprachen vorgeworfen. Sie soll ihre Kollegin Beinschab und eine weitere Anbieterin dazu gebracht haben, Scheinanbote für das Ausarbeiten von Studien zu legen. Und zwar für Studien, welche das Sportministerium erhalten sollte.

Sinn der Scheinanbote laut Anklage: Am Schluss sollte Karmasin als Bestbieterin dastehen. Und die Aufträge an Land ziehen. Ankläger Adamovic: „Es verdient immer eine. Sie werden es erraten: Es ist Frau Karmasin.“ Dann wandte er sich persönlich an diese: „Sie sind kein Justizopfer und Sie sind auch kein Opfer der Medien.“ Und: „Ich wünsche Ihnen, dass Sie den Mut finden Ihr Fehlverhalten einzugestehen.“

Karmasin stellte die Sache mit den Studien ganz anders dar. Am Beispiel der ersten Studie zeige sich, dass das Sportministerium genau das wollte, was sie zu bieten gehabt habe. Sie habe im März 2019 eine Arbeit präsentiert, die sich mit gesellschaftlich sinnvollen Verhaltensweisen befasst habe. Darauf aufbauend habe das Ministerium ein Konzept haben wollen – nämlich wie man Menschen zum Sport bringen könne. Es sei klar gewesen, dass genau ihre Arbeit gefragt sei. „Es war klar, dass ich den Auftrag bekommen würde.“

„Habe mich einspannen lassen“

Das Ministerium habe sie gefragt, ob sie zwei Vergleichsanbote auftreiben könne – für die interne Dokumentation. Damit man später sagen könne, man habe auch andere Anbieter gefragt. Karmasin: „Ich habe mich einspannen lassen. Ich hätte die Bitte abschlagen sollen.“ Im Hinblick auf die von ihr veranlassten manipulierten Anbote sagte sie: „Beide Damen waren sich bewusst, dass diese Aufträge nicht an sie gehen würden.“

Mit der WKStA reden – das wollte die Ex-Politikerin nicht. Auf deren Fragen sagte sie: „Aufgrund der Traumata, die ich und meine Familie erlitten haben, möchte ich keine Fragen beantworten.“ Auch die aktuelle Einschätzung der Strafsache durch Ankläger Adamovic dürfte das Vertrauen der Angeklagten in die WKStA nicht gerade stärken: „Die Suppe ist so dick: Wenn man den Löffel auslässt, bleibt er aufrecht stehen."

Und da war noch jemand: der frühere Sportministeriums-Abteilungsleiter G. (60). Auch er saß, ganz unauffällig, wegen der Studien auf der Anklagebank („Weiß nicht, warum ich hier bin“). Auch er bekannte sich nicht schuldig. Am Donnerstag wird weiter verhandelt.

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