Der Terror kehrt nach Russland zurück

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Blutbad. Mindestens 35 Menschen starben bei einem Anschlag auf dem internationalen Flughafen Domodedowo nahe Moskau. Sicherheitskräfte fanden indes die Leiche des mutmaßlichen Terroristen.

Es ist die Zeit, da in Russland die letzten Urlauber aus dem verlängerten Weihnachtsurlaub ins Land zurückkehren. Und es ist die Zeit, da der normale Alltag wieder in Gang kommen sollte.

Im Jahr 2011 begann diese Zeit mit einem Blutbad. Um 16.32 Uhr Moskauer Zeit (14.32 Uhr MEZ) ging am Montag auf dem Moskauer Flughafen Domodedowo eine Bombe hoch und riss Dutzende Menschen mit in den Tod. Von 35 Toten war zu Redaktionsschluss die Rede. Über 150 Menschen sollen nach ersten Angaben verletzt worden sein, 36 von ihnen schwer.

Ein britischer Staatsbürger sei tot geborgen worden, teilten die russischen Behörden mit. Mindestens drei EU-Bürger dürften unter den Verletzten sein: ein Italiener, ein Franzose sowie eine slowakische Schauspielerin. Von österreichischen Opfern war vorerst nichts bekannt. Starke Rauchentwicklung behinderte den Rettungseinsatz.

Nach kurzem Zögern qualifizierten die Behörden die Explosion als Terroranschlag. Am Tatort fanden Ermittler die Leiche des mutmaßlichen Attentäters. Es handle sich um einen Mann im Alter von 30 bis 35 Jahren, sagte ein Sicherheitsbeamter der Agentur Interfax. Über seine mögliche Identität war zunächst nichts bekannt.

Noch kein Bekennerschreiben

Auch ein Bekennerschreiben lag vorerst nicht vor. Beobachter freilich hegen kaum Zweifel, dass auch dieses Blutbad auf Rebellen im Nordkaukasus zurückgeht. In den nordkaukasischen Republiken selbst war es im vergangenen Jahr zu Anschlägen und Überfällen am laufenden Band gekommen, obwohl offiziell eine Beruhigung im Gebiet propagiert wird. „Der Terror ist in Russland trotz anderslautender Angaben nicht besiegt“, sagte der Moskauer Politologe Oleg Orlow zur „Presse“.


„Die Terroristen sind imstande, ihn sogar immer noch bis Moskau zu tragen.“ Alexej Makarkin vom Zentrum für Politische Technologie hält für möglich, dass der Anschlag den Machthabern nicht schade, sondern zu noch mehr Unterstützung führe. Dies ist auch insofern bemerkenswert, als in Russland in diesem Jahr Parlamentswahlen bevorstehen; für 2012 sind die Präsidentenwahlen angesetzt.

Ersten Angaben zufolge hatte die Explosion eine Wucht von bis zu sieben Kilogramm TNT, was weltweit einen der größten Anschläge auf Verkehrsinfrastruktur bedeuten würde. Der Selbstmordattentäter dürfte sich am Ausgang zur Empfangshalle des Internationalen Terminals, in unmittelbarer Nähe zu einem Café, in die Luft gesprengt haben. Ersten Vermutungen zufolge könnten unter den Opfern neben Reisenden auch Wartende oder etwa Taxilenker sein.

Der Flughafen Domodedovo ist der modernste im Land und hat sich in den letzten zehn Jahren zur Drehscheibe für Auslandsflüge entwickelt. Aufgrund der notorischen Staus auf Moskaus Straßen konnten Rettungsfahrzeuge nur schwer zum Unfallort vordringen.

Aus Angst vor weiteren Anschlägen wurden die Sicherheitsmaßnahmen in der ganzen Stadt erhöht, vor allem auf den beiden anderen internationalen Flughäfen und bei U-Bahn-Stationen.

Präsident Medwedjew richtete sich im Fernsehen an das russische Volk. „Wir werden die Drahtzieher fassen und bestrafen“, versprach er. Seine für Mittwoch geplante Eröffnungsrede beim Weltwirtschaftsforum in Davos sagte er ab. US-Präsident Barack Obama verurteilte den Anschlag als „abscheulichen Terrorakt“.

Der Anschlag ist die größte Terrorkatastrophe in Moskau seit dem März 2010. Damals waren bei zwei Explosionen in der U-Bahn 39 Menschen ums Leben gekommen. Die Verantwortung dafür hatte kurz darauf der islamistische Untergrund aus dem Unruhegebiet Nordkaukasus auf sich genommen.

Gab es eine Warnung?


Offenbar hatten die Behörden Hinweise, dass sich ein Anschlag abzeichnet. Wie jedenfalls eine anonyme Quelle aus der Sicherheitsabteilung des Flughafens gegenüber „Life News“ angab, habe man etwa vor einer Woche diesbezügliche Informationen erhalten. Die Sicherheitsvorkehrungen seien jedoch nicht erhöht worden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2011)

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