Auch wenn sich das Flugchaos des vergangenen Sommers kaum wiederholen wird: Wer bei allfälligen Problemen haftet, ist auch heuer noch ein Thema.
Wien. Und schon wieder zeichnet es sich ab: Ausnahmslos entspannt und stressfrei dürfte auch die heurige Urlaubssaison nicht verlaufen. Hatte im Vorjahr Personalmangel zu Tausenden Flugstreichungen und teilweise zu Chaos auf Flughäfen geführt, ist laut Branchen-Insidern für dieses Jahr immerhin Besserung in Sicht: Airlines und Flughäfen seien heuer besser vorbereitet, sagte Ryanair-Chef Eddie Wilson kürzlich zu Reuters.
Rund laufen werde aber noch nicht alles. „Ich erwarte nicht das Chaos, das wir vergangenen Sommer hatten, aber es wird nicht perfekt sein“, sagte Wilson, der im Übrigen auch ankündigte, seine Airline werde womöglich im August einige Flüge streichen müssen. Grund seien Lieferverzögerungen beim Flugzeugbauer Boeing. Mit wesentlichen Auswirkungen auf die Kundinnen und Kunden rechne man freilich nicht.
Für jene, die jetzt ihren Urlaub planen, heißt das wohl: Einen Grund zu extremer Sorge gibt es nicht – wohl aber sollte man sich darauf einstellen, dass es immer noch etwas mehr Verzögerungen als im bis 2019 gewohnten „Normalbetrieb“ geben kann. Zumal auch das zuletzt allgegenwärtige Thema Warnstreiks noch nicht ausgestanden ist.
Was zur nächsten Frage führt: Wer haftet, sollte es tatsächlich zu einer längeren Verzögerung bei der Urlaubsreise kommen? Und ist man angesichts der Unwägbarkeiten besser dran, wenn man eine Pauschalreise bucht? Denn dann liegt es ja am Reiseveranstalter, dafür zu sorgen, dass man gut ans Ziel kommt? Um es gleich vorwegzunehmen: Gerade bei Flugverspätungen hält sich die Haftung eines Veranstalters, der nicht zugleich auch die Airline betreibt, in engen Grenzen.
1 Was gilt als Pauschalreise und welche Vorteile sind damit verbunden?
Eine Pauschalreise muss nicht unbedingt „all inclusive“ sein. Dafür genügt es, wenn mindestens zwei verschiedene Reiseleistungen zu einem Gesamtpaket kombiniert werden – dazu zählen Personenbeförderung, Unterkunft, Autovermietung, aber auch sonstige touristische Leistungen, wenn diese ein wesentliches Merkmal des Gesamtpakets darstellen. Grundsätzlich ist dann der Reiseveranstalter für die Erbringung aller im Pauschalreisevertrag vereinbarten Leistungen verantwortlich, und zwar auch für solche, die nicht er selbst, sondern ein anderes Unternehmen zu erbringen hat.
Für geleistete Zahlungen besteht außerdem ein Insolvenzschutz: Geht der Veranstalter pleite und kann die Reise deshalb nicht stattfinden, bekommt man sein Geld zurück. Wobei allerdings in der Pauschalreiseverordnung genau geregelt ist, welche Anzahlungen wann verlangt werden dürfen. Beispielsweise darf ein österreichischer Reiseveranstalter bzw. Reisevermittler erst maximal 20 Tage vor der Abreise mehr als 20 Prozent entgegennehmen. Bei überhöhten Anzahlungen könnte der übersteigende Teil im Insolvenzfall nicht abgesichert sein, warnt das Europäische Verbraucherzentrum Österreich auf seiner Homepage.
Geht nicht der Reiseveranstalter pleite, sondern z. B. die im Rahmen des Gesamtpakets gebuchte Fluglinie, muss der Veranstalter sich um die Umbuchung auf eine andere Airline kümmern. Und gibt es die als Teil der Pauschalleistung gebuchte Unterkunft nicht mehr, hat man Anspruch auf eine gleichwertige Unterbringung.
2 Welche Ausgleichsansprüche entstehen bei Flugverspätungen?
Kommt ein Flug mit drei oder mehr Stunden Verspätung am Ziel an, hat man laut EU-Fluggastrechteverordnung Anspruch auf eine Ausgleichszahlung von 250 bis 600 Euro je nach der gebuchten Flugentfernung. „Dafür müssen sich Konsumentinnen und Konsumenten an die Airline wenden“, sagt Maria Semrad, Juristin beim Europäischen Verbraucherzentrum, zur „Presse“. Das gilt auch bei Pauschalreisen. Zwar bieten Reiseveranstalter oft Unterstützung bei der Geltendmachung an – rechtlich dazu verpflichtet sind sie nicht.
Vom Veranstalter einer Pauschalreise kann man bei einer langen Flugverspätung Preisminderung verlangen, und zwar ab der fünften Stunde fünf Prozent des anteiligen Tagesreisepreises für jede weitere Stunde. Allerdings sind diese beiden Ansprüche nicht zu addieren, sondern die erhaltenen Zahlungen sind jeweils auf den anderen Anspruch anrechenbar. Eventuell können (verschuldensabhängig) auch Schadenersatzansprüche entstehen (wobei erhaltene Ausgleichszahlungen auch da anzurechnen sind).
3 Und wenn die Fluglinie die Ausgleichszahlung verweigert?
Haben „außergewöhnliche Umstände“ zu der Flugverspätung geführt, kann der Ausgleichsanspruch der Fluggäste entfallen. Die EuGH-Judikatur dazu ist jedoch eher verbraucherfreundlich, die Airline muss demnach im Wesentlichen nur dann nicht zahlen, wenn das Ereignis für sie unvorhersehbar und nicht beherrschbar war. Bei der Durchsetzung von Ansprüchen helfen kann in Österreich z. B. die Schlichtungsstelle der Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte (APF).
4 Haftet auch das Reisebüro für die vermittelten Reiseangebote?
Ein Reisebüro, das lediglich als Vermittler tätig wurde, haftet nicht für die Reiseleistungen selbst – diese Haftung trifft den Veranstalter. Für die Vermittlungsleistung ist allerdings das Reisebüro verantwortlich und haftet daher z. B. für mangelnde Sorgfalt bei der Auswahl des Reiseveranstalters.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.04.2023)