Gastkommentar

Wohlstand braucht mehr Arbeitskräfte

Arbeitsmarkt. Es muss dringend etwas getan werden bei Kinderbetreuung, Überstunden und Anreizen für ein Arbeiten im Alter.

Der Autor

Karlheinz Kopf (* 1957) ist ÖVP-Nationalratsabgeordneter, und seit 2018 ist er Generalsekretär der Wirtschaftskammer Österreich (WKO).

Eine leistungsstarke Wirtschaft ist das Rückgrat unseres Lebens- und Gesellschaftsmodells. Ohne starke Wirtschaft gibt es keinen breiten Wohlstand – das müssen wir uns gerade am 1. Mai, dem Tag der Arbeit, vor Augen halten. Neben Entlastung bei Steuern, Bürokratie und Energiekosten hat ein Thema Priorität: Unsere Betriebe brauchen ausreichend und entsprechend qualifizierte Arbeitskräfte, um Wertschöpfung und damit Wohlstand für möglichst alle erarbeiten zu können.

Die vorliegenden Studien der Wirtschaftsforschung zeigen ein dramatisches Bild: Trotz aller Anstrengungen der Betriebe im Bereich der Aus- und Weiterbildung werden uns bis 2040 363.000 Personen zusätzlich auf dem Arbeitsmarkt fehlen. Ohne zusätzliche Arbeitskräfte ist der Erfolg des Standorts Österreich in Gefahr. Analysen zeigen, dass Österreich das Land mit den meisten unbesetzten Stellen ist – im Verhältnis zu den Beschäftigten. Wir müssen daher an allen Hebeln ansetzen und uns den Herausforderungen ohne Tabus stellen. Der WKO-Aktionsplan Arbeitsmarkt bringt auf den Punkt, was zu tun ist:
• Besonders wichtig sind Anreize für längeres Arbeiten im Alter. So ist das Potenzial älterer Arbeitskräfte bei Weitem nicht ausgeschöpft. Von 680.000 Pensionistinnen und Pensionisten in der Altersgruppe 60 bis 69 Jahre arbeiten derzeit nur 53.000. Notwendig sind die Streichung der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge zur Pensionsversicherung sowie ein Steuerfreibetrag für neben der Pension erzielte Erwerbseinkommen.
• Wirksame Anreize für Arbeit muss es auch bei den Überstunden geben. Derzeit sind nur zehn Überstundenzuschläge pro Monat bis zu einem Deckel von 86 Euro pro Monat steuerfrei. Die Steuerbegünstigung sollte auf 20 Überstunden pro Monat ausgeweitet und der Deckel massiv angehoben werden.
• Wichtig ist die innovative Verbesserung der Kinderbetreuung. Österreich hat bei der Betreuungsquote – vor allem bei den unter Dreijährigen – Nachholbedarf. Ein attraktives Betreuungsangebot auch für Schulkinder am Nachmittag würde die Aufstockung von Teilzeit auf Vollzeit erleichtern.
• Politisch außer Frage muss auch stehen: Wo wir den Bedarf nicht mit inländischen Fachkräften decken können, braucht es deutlich mehr qualifizierte Zuwanderung – etwa durch freien Arbeitsmarktzugang für Arbeitskräfte aus den EU-Beitrittskandidatenländern. Für Lehrlinge aus Drittstaaten soll es einen eigenen Aufenthaltstitel geben.

Keine Arbeitszeitverkürzung

Wir brauchen rasch umfassende Bemühungen der Politik und auch eine gemeinsame sozialpartnerschaftliche Zukunftsstrategie, um die drohende Arbeitskräfte- und Wohlstandslücke zu schließen. Was wir sicher nicht brauchen, ist eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich. Sie würde das ohnehin zu geringe Arbeitsvolumen weiter verringern, den Faktor Arbeit auf Kosten der Wettbewerbsfähigkeit massiv verteuern sowie einen Abzug von Unternehmen ins Ausland und erhebliche Wohlstandsverluste bewirken. Mehr Wohlstand mit weniger Arbeit ist eine Gleichung, die nicht aufgeht.

Am 1. Mai gilt es daher den Blick auf jene zu richten: auf die Betriebe und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die täglich ihren Beitrag zu Wertschöpfung und Wohlstand leisten. Die internationalen Entwicklungen, die unsere Wirtschaft fordern, können wir nicht beeinflussen. Aber die Hausaufgaben für den Arbeitsmarkt in Österreich können und müssen wir mit voller Kraft in Angriff nehmen.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.04.2023)

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