Herzchirurgie

Das „Schlüsselloch“ in den Körper wird immer kleiner

Sein Ziel ist, bei Herzoperationen keine knöchernen Strukturen zu durchtrennen, also den Schmerz möglichst gering zu halten: Martin Andreas.
Sein Ziel ist, bei Herzoperationen keine knöchernen Strukturen zu durchtrennen, also den Schmerz möglichst gering zu halten: Martin Andreas. Caio Kauffmann
  • Drucken

Mediziner Martin Andreas leitet das neue Christian-Doppler-Labor für microinvasive Herzchirurgie an der Med-Uni Wien. Dort gewonnene Erkenntnisse sollen helfen, Leid zu lindern.

Eine Operation am offenen Herzen ist eine große Verantwortung, daher ist die Anspannung hoch. „Man ist sehr konzentriert, daher merkt man den Stress oft erst nachher – und ist entsprechend erschöpft.“ So beschreibt Herzchirurg Martin Andreas in türkisblauer OP-Kleidung seine Arbeit. Der Mediziner mit den vielen Titeln hinter seinem Namen, zu denen neben dem wissenschaftlichen Doktorat und dem europäischen Facharzt auch ein MBA zählt, ist gerade zwischen zwei Operationen. Und auch in der Forschung hat er viel um die Ohren: Am Tag zuvor wurde das von ihm geleitete Christian-Doppler-(CD-)Labor für microinvasive Herzchirurgie eröffnet.

Dort ist der Name Programm, denn die Öffnungen, über die Eingriffe stattfinden, sollen immer kleiner werden: Der Trend in der Chirurgie, auch der am Herzen, geht dahin, nicht mehr minimalinvasiv, sondern mikroinvasiv zu arbeiten. „Ziel ist, keine knöchernen Strukturen zu durchtrennen, also den Schmerz möglichst gering zu halten und die Heilung zu beschleunigen“, erklärt Andreas. „Wir wollen die Patienten rasch wieder fit bekommen, damit sie in ihr normales Leben zurückkönnen.“ Dazu müssen Instrumente und OP-Techniken weiterentwickelt werden – und genau das soll in den nächsten sieben Jahren im CD-Labor passieren.

Neue Herzklappe entsteht während OP

Doch wie klein können die „Schlüssellöcher“ in den Körper werden? „Für den Herzklappeneingriff braucht man nur noch einen vier Zentimeter langen Bereich zwischen den Rippen“, schildert Andreas. „Das haben wir heuer auch schon zweimal klinisch gemacht.“ Durch die Entwicklungsarbeit im CD-Labor soll ein solcher mikroinvasiver Eingriff für viele Patientinnen und Patienten möglich sein. Das Revolutionäre: Die neue Herzklappe könnte künftig während der Operation aus körpereigenem Gewebe konstruiert werden. Wichtig ist die Haltbarkeit: „Wir wollen bei allen Eingriffen mit möglichst kleinen Interventionen möglichst langlebige Ergebnisse schaffen.“

Auch eine Bypass-Operation, die bei koronarer Herzerkrankung gemacht wird, die unbehandelt zum Herzinfarkt führt, soll künftig ohne Öffnung des Brustbeins möglich sein. Überdies will man bestehende Bildgebungsverfahren mit neuartigen Geräten kombinieren und so Herzklappenreparaturen am schlagenden Herzen durchführen: „Der Chirurg oder die Chirurgin hat eine Brille mit Display auf und bekommt dort Bilder von Kameras im Körper angezeigt“, schildert Andreas. Dafür kooperiert sein Team mit Visualisierungsexpertinnen und -experten. Die neuen Technologien sollen etwa helfen, die negativen Auswirkungen eines Herzstillstands zu vermeiden.

Wird es für Chirurginnen und Chirurgen eigentlich einfacher, wenn die Öffnung, durch die sie operieren, kleiner ist? Nein. „Es gibt den Spruch: Man transferiert den Schmerz vom Patienten zum Chirurgen. Das bedeutet: Es ist sicher schwieriger über einen kleinen Zugang zu operieren als über einen großen“, erläutert Andreas. Neue Erkenntnisse aus einem Labor sollen aber auch der Chirurgin und dem Chirurgen das Leben erleichtern.

Große Visionen 

Die neuen Werkzeuge für die immer komplexeren Eingriffe werden in Kooperation mit LSI Solutions, dem Firmenpartner des CD-Labors, entwickelt. Die Vision ist groß: „Wir wollen offene klinische Fragen zu Herzerkrankungen nicht nur in Österreich, sondern auf der ganzen Welt lösen“, sagt Andreas. Um sie zu beantworten, arbeitet man auch mit 3-D-Druckmodellen und Körperspenden für wissenschaftliche Zwecke.

Das Herz als Organ faszinierte den gebürtigen Wiener bereits während des Studiums. „Angefangen habe ich auf der Kardiologie, mich dann aber doch für die chirurgische Seite entschieden“, erzählt er. Ausgleich sucht und findet er gemeinsam mit seiner Familie: seinen sieben und vier Jahre alten Töchtern und seiner Frau. Letztere ist Kardiologin in Ausbildung. Tauscht man sich also auch daheim fachlich aus? Das sei nicht zu vermeiden, sagt Andreas schmunzelnd. Aber zu sehr will er die Arbeit nicht mit nach Hause nehmen, auch wenn sie buchstäblich eine Herzensangelegenheit ist.

Zur Person

Martin Andreas (40) studierte an der Med-Uni Wien Humanmedizin und absolvierte neben dem wissenschaftlichen Doktorat auch einen MBA in Health Care Management. Er erhielt bereits zahlreiche Auszeichnungen, zuletzt 2020 den Khünl-Brady-Preis für Forschung im Bereich der Herzchirurgie. Seit März leitet er das Christian-Doppler-Labor für microinvasive Herzchirurgie.

Alle Beiträge unter: www.diepresse.com/jungeforschung

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.04.2023)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.