Gastkommentar

Wir alle müssen die Pressefreiheit schützen

Freier Zugang zu Informationen und die Möglichkeit, dass alle Stimmen sich Gehör verschaffen können – das ist es, worum es bei der Pressefreiheit und der freien Meinungsäußerung geht. Daher müssen wir alle den unabhängigen Journalismus schützen und bewahren.

Am 3. Mai wird weltweit der Internationale Tag der Pressefreiheit begangen. In diesem Jahr liegt sein Schwerpunkt auf Pressefreiheit als Voraussetzung für andere Menschenrechte. Das Thema ist dringlich, insbesondere in Zeiten, in denen die Demokratie als Regierungsform in immer mehr Ländern in Frage gestellt wird. Angaben der Universität Göteborg zufolge gab es seit 1986 nicht mehr so wenige Demokratien wie heute, und die Medienfreiheit fällt dem Abschaffen einer Demokratie oft als erstes zum Opfer.

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Das zeigt sich deutlich, nicht zuletzt nach Putins Einmarsch in die Ukraine. Unabhängige Medien in Russland wurden zensiert, blockiert und demontiert. Einzelne Journalisten wurden strafrechtlich verfolgt und im März der amerikanische „Wall Street Journal"-Korrespondent Evan Gershkovich in Jekaterinburg unter dem Vorwurf der Spionage festgenommen und inhaftiert. Die russischen Autoritäten haben die Kontrolle über die Information übernommen, den Preis dafür zahlt die russische Bevölkerung.

Aber auch in Schweden gibt es Tendenzen, die mich beunruhigen. Nach Untersuchungen der Universität Göteborg ist eine Mehrheit der schwedischen Bevölkerung bereit, vorübergehende demokratische Einschränkungen in Kauf zu nehmen, um auf akute Probleme wie Umwelt- und Klimakrisen, Pandemien, Finanzkrisen und Kriminalität zu reagieren. Der Krieg in der Ukraine hat das Land erschüttert und zusammen mit der Corona-Pandemie unsere Sicht auf die Welt beeinflusst.

Medienfreiheit ist nicht selbstverständlich

In Zeiten von Krisen und Unruhen ist es besonders wichtig, sich vor Augen zu führen, dass der Zugang zu freien und vertrauenswürdigen Informationen entscheidend ist. Schweden hat eine lange und starke Tradition der Pressefreiheit, in vielen Ländern sieht es anders aus. Wir dürfen die Medienfreiheit daher niemals als selbstverständlich betrachten. Die Nachfrage nach unabhängiger Berichterstattung ist groß. Beim Schwedischen Rundfunk hat sich dies während der russischen Invasion im Februar letzten Jahres deutlich gezeigt, als bis zu einer halben Million neuer Hörerinnen und Hörer unsere Live-Berichterstattung verfolgten. Und das in einem Land mit zehn Millionen Einwohnern.

Anlässlich des diesjährigen Tags der Pressefreiheit werde ich Österreich, die Slowakei und Tschechien besuchen, um gemeinsam mit den schwedischen Botschaften darauf aufmerksam zu machen, dass die Freiheit unabhängiger Medien und die Sicherheit von Journalistinnen und Journalisten heute so wichtig sind wie kaum je zuvor.

Mehr als fünf Jahre ist es her, dass der slowakische Journalist Ján Kuciak während seiner Recherchen über Korruption und Steuerhinterziehung zusammen mit seiner Verlobten Martina Kušnírová ermordet wurde. Die Spur führte zu einem bekannten Geschäftsmann mit Verbindungen in die höchsten Machtebenen des Landes und der Mord hatte große Straßenproteste aufgebrachter Slowakinnen und Slowaken zur Folge. Richterinnen, führende Politiker und leitende Polizeibeamte traten daraufhin zurück.

Journalistinen stellen unbequeme Fragen

Die Proteste der slowakischen Bevölkerung haben etwas Wichtiges bestätigt: Wir alle müssen die Pressefreiheit schützen. Denn ein Journalist oder eine Journalistin repräsentiert nicht nur sich selbst, sondern uns alle. Es sind die Journalistinnen und Journalisten, die unbequeme Fragen stellen, die der Macht genau auf die Finger schauen und Stimmen Gehör verschaffen, die anderenfalls nicht zu Wort kommen würden.

Abschließend möchte ich daher den amerikanischen Historiker Timothy Snyder zitieren, der an der Schwedischen Akademie auf einer Konferenz zu Meinungsfreiheit und Demokratie im Frühjahr diesen Jahres auf die Frage, warum die Meinungsfreiheit nicht eingeschränkt werden sollte – beispielsweise indem Lügen unter Strafe gestellt würden – antwortete: „Nicht die Lügen der Mächtigen sind in Gefahr. Es ist die Wahrheit derjenigen, die keine Macht haben, die in Gefahr ist.“

Das sollten wir uns an einem Tag wie diesem, am Tag der Pressefreiheit, vor Augen führen.

Cilla Benkö ist Intendantin des Schwedischen Rundfunks Sveriges Radio Dieser Artikel erscheint heute auch in der schwedischen Tageszeitung „Expressen".

* https://www.v-dem.net/documents/30/V-dem_democracyreport2023_highres.pdf
https://www.v-dem.net/publications/democracy-reports/

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