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Warum haben es Erstakademiker so schwer?

Clemens Fabry
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Rund 113.000 offene Stellen sind in Österreich aktuell zu besetzen. Viele heimische Unternehmen klagen über Personalmangel. Sie predigen, wie wichtig es ist, lernfähig zu sein. Und lernen selbst nicht aus ihren Fehlern.

Erstakademiker haben es auf ihrem Karriereweg schwerer als Kollegen, deren Eltern studiert haben. Das gilt sowohl für den Berufseinstieg, als auch auf dem späteren Karriereweg. „Verschenktes Potenzial“ nennt der BCG-Partner Sebastian Ullrich diesen Missstand. Der Experte für digitale Transformation und Personal führte dazu eine Studie unter 1.125 Berufstätigen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz durch.

Gemessen an ihrer Vergleichsgruppe seien Hochschulabsolvent der ersten Generation um 32 Prozent loyaler gegenüber dem Arbeitgeber und zu 40 Prozent wahrscheinlicher intrinsisch motiviert. Dem gegenüber stehen die Hürden, die sie zu bewältigen haben: 19 Prozent haben häufiger das Gefühl, am Arbeitsplatz „nicht sie selbst sein zu können“. 

Die stärkste Lücke klafft jedoch beim Netzwerk: Nur ein Drittel der Arbeiterkinder gab an, dass sie beim Berufsstart Zugang zu wichtigen Kontakten hatten. Bei den Kollegen aus Akademikerhaushalten war dieser Anteil fast doppelt so hoch (61 Prozent). Das gilt nicht nur für externe Beziehungen: Auch innerhalb der Firma haben sie größere Schwierigkeiten damit, auf Augenhöhe zu kommunizieren und Kontakte in der Firma zu knüpfen. Diese Ungleichheiten bleiben während der gesamten Karriere bestehen.

Gleiche Bedürfnisse bei ungleichen Chancen

Wenn es um die Bedürfnisse im Job geht, lassen sich keine signifikanten Unterschiede erkennen. Am wichtigsten für alle Berufseinsteiger sind: Gehalt (45 Prozent), Begeisterung für die Tätigkeit (33 Prozent) und Chancen, weiterzulernen (33 Prozent). Die Startbedingungen unterscheiden sich jedoch stark: „Erstakademiker haben oft weniger lineare Lebensläufe, sie verfügen über weniger Informationen zu Karrieremöglichkeiten und schlechteren Zugang zu einem beruflichen Netzwerk. Das führt zu Hürden beim Berufsstart“, sagt Ullrich.

So gaben 47 Prozent der Erstakademiker an, aufgrund anderer Verpflichtungen keine Zeit für Praktika gehabt zu haben – das sind 11 Prozentpunkte mehr als bei der Vergleichsgruppe. Auch das Wissen um die Bedeutung von Praktika ist oft nicht vorhanden (-12 Prozentpunkte).

Es braucht Engagement auf beiden Seiten

Unternehmen sind gefordert, Bewusstsein für den Bildungshintergrund zu schaffen, Eintrittsbarrieren für Arbeiterkinder anzupassen und Förderprogramme wie Mentoring aufzusetzen, verdeutlicht die Studie. Aus eigener Erfahrung weiß Autor Ullrich auch, dass die First-Generation Professionals selbst tätig werden müssen, um in der Karriere erfolgreich zu sein. Denn auf dem Silbertablett bekommen sie ihre Chancen nicht serviert. Deshalb müsse man sich in Netzwerken engagieren, an Schulungen teilnehmen oder selbst Mentor werden.

(red/est)

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