Großbritannien

BBC-Chef Sharp tritt zurück: Kredit-Hilfe für Boris Johnson nicht offengelegt

Das BBC-Headquarter in London.
Das BBC-Headquarter in London.APA/AFP/DANIEL LEAL
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Der von der britischen Regierung eingesetzte Chef des öffentlich-rechtlichen Senders half Boris Johnson zu einem Kredit. Die Opposition fordert ein anderes Verfahren, um den künftigen Chef auszuwählen.

Der BBC-Vorsitzende Richard Sharp ist am Freitag zurückgetreten. Ein unabhängiger Bericht hat festgestellt, dass er gegen Regeln verstoßen habe. Es geht um einen möglichen Interessenkonflikt wegen der Sicherung eines Darlehens in Höhe von einer Million Dollar für den damaligen Premierminister Boris Johnson. Diese Hilfe für Johnson hatte Sharp nicht offengelegt.

Der Rücktritt Sharps fällt in eine Zeit, in der die Unparteilichkeit des öffentlich finanzierten britischen Senders verstärkt auch politisch hinterfragt wird. Ein Streit mit dem prominenten Moderator Gary Lineker über Tweets, in denen er die Regierungspolitik kritisierte, beherrschte im vergangenen Monat die nationalen Schlagzeilen.

Sharp, ein ehemaliger Goldman-Sachs-Banker und Spender für die regierende Konservative Partei, wurde 2021 zum Vorsitzenden der BBC ernannt. Er stand jedoch seit Februar unter Druck, als ein Parlamentsausschuss feststellte, dass er "erhebliche Beurteilungsfehler" begangen habe, weil er seine Beteiligung an dem Darlehen nicht angegeben hatte.

Sharp erklärte sich bereit, bis Ende Juni im Amt zu bleiben, während die Regierung nach einem Nachfolger sucht.

Debatte um politische Chefposten-Besetzung

Der Vorsitzende der BBC wird von der Regierung ernannt. Die Redaktion genießt allerdings politische Unabhängigkeit und spielt eine zentrale Rolle im britischen Kultur- und Medienleben. Die BBC wird durch eine von den Fernsehhaushalten gezahlte Rundfunkgebühr finanziert.

Die kulturpolitische Sprecherin der oppositionellen Labour-Partei, Lucy Powell, wirft der konservativen Regierung vor, sie habe mit ihren "schmutzigen Machenschaften und ihrer Vetternwirtschaft" dem Ruf der BBC geschadet. Es sei "ein wirklich unabhängiges und solides Verfahren" erforderlich, um Sharps Nachfolger zu bestimmen.

Auf die Frage von Reportern, ob der nächste BBC-Chef politisch unabhängiger sein sollte, antwortete Premierminister Rishi Sunak, der mit Sharp aus der gemeinsamen Zeit bei Goldman Sachs kennt: "Es gibt ein etabliertes Ernennungsverfahren für all diese Dinge, und es ist richtig, dass wir uns an dieses wenden, wenn die Zeit reif ist."

Die Frage nach der Neutralität der BBC ist nur eine der Herausforderungen, mit denen der Sender konfrontiert ist. Er muss versuchen, für ein jüngeres Publikum mit anderen Sehgewohnheiten relevant zu bleiben - und gleichzeitig gegen die Kürzung der Finanzierung durch die Regierung kämpfen.

Hat die Kredithilfe bei der Besetzung eine Rolle gespielt?

Die von der Aufsichtsbehörde für öffentliche Ämter eingeleitete Untersuchung prüfte vor allem die Art und Weise, wie Sharp von der Regierung für den Vorsitz der Gesellschaft ausgewählt wurde.

Im Fokus stand die Frage, ob Sharp vor seiner Ernennung zum BBC-Chef die Einzelheiten seiner Hilfe für das Darlehen von 800.000 Pfund (eine Million Dollar) an Johnson vollständig offengelegt hat.

Der Bericht kam zu dem Ergebnis, dass er zwar gegen den Regierungskodex für öffentliche Ernennungen verstoßen hatte, dass dieser Verstoß aber nicht zwangsläufig seine Ernennung ungültig machte. Sharp sagte, er glaube, dass der Verstoß "versehentlich und nicht wesentlich" gewesen sei. Er sagte aber auch, dass ein Verbleib bis zum Ende seiner vierjährigen Amtszeit von der "guten Arbeit" des Senders ablenken würde. "Ich habe beschlossen, dass es richtig ist, die Arbeit des Senders in den Vordergrund zu stellen“, so Sharp.

(Reuters)

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