Ungarn

Subtiler Tadel des Papsts für Orbán

Brot und Salz beim Empfang für Papst Franziskus in Budapest.
Brot und Salz beim Empfang für Papst Franziskus in Budapest. APA/AFP/VATICAN MEDIA/HANDOUT
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Franziskus rief dem Premier christliche Werte in Erinnerung. Er trifft auch ukrainische Flüchtlinge.

Budapest. Es hat beinahe den Anschein, als hätten Papst Franziskus und der ungarische Premier, Viktor Orbán, einen Pakt geschlossen, sich jedes Jahr zu treffen. Im Rahmen des am Freitag begonnenen dreitägigen Papst-Besuchs in Ungarn sehen die beiden einander bereits zum dritten Mal binnen zwei Jahren. Im September 2021 flog das Oberhaupt der katholischen Kirche nur für wenige Stunden nach Budapest, um am Eucharistischen Weltkongress teilzunehmen – samt Treffen mit dem Premier. Im April 2022 wiederum war es Orbán, der den Pontifex nach seinem Wahlsieg bei den Parlamentswahlen im Vatikan eine Visite abstattete.

Die Ungarn-Visite des Papsts sieht die rechtspopulistische ungarische Regierung als Bestätigung für ihre christlich orientierte Politik, die sie nicht selten mit missionarischem Eifer verfolgt. In der Vergangenheit haben sich Orbán und seine Regierung immer wieder als Speerspitze der Verteidigung christlicher Werte in Europa stilisiert. Was sie darunter verstehen: die Abwehr fremder Kulturen, insbesondere muslimischer Flüchtlinge, die Eindämmung der Gender-Bewegung – Stichwort LGBTQ – und das Hochhalten der christlichen Familie.

Treffen mit Flüchtlingen

Dass Franziskus sich am Samstag auch mit ukrainischen Flüchtlingen trifft, dürfte Orbán angesichts seiner rigorosen Migrationspolitik wohl sauer aufstoßen. Aus dem Vatikan war im Vorfeld zu vernehmen, dass der Papst nicht nur zur Seelsorge der ungarischen Christen nach Budapest reise. Angesichts der 135 Kilometer langen Grenze zur kriegsgebeutelten Ukraine will er seinen Besuch dazu nutzen, zum Frieden aufzurufen. Mehrfach hat die Regierung in Kiew eine Einladung für eine Papstreise ausgesprochen, zuletzt am Donnerstag durch Premier Denys Schmyhal bei einer Audienz im Vatikan. Außenminister Dmytro Kuleba sagte in Rom: „Er kann jederzeit kommen.“

Zwar gilt auch die Orbán-Regierung als Befürworter eines raschen Friedens in der Ukraine, ihre kritische Haltung gegenüber Präsident Wolodymyr Selenskij und die Nachsicht gegenüber Kreml-Chef Wladimir Putin, insbesondere die Ablehnung der EU-Sanktionen, haben sie in Europa allerdings in ein schiefes Licht gerückt.

Nach seiner Ankunft in Budapest am Freitag kam Franziskus zunächst mit Katalin Novák zusammen, der ungarischen Präsidentin, und danach mit Viktor Orbán. Dass sich sein Amtssitz just in einem ehemaligen Kloster des Karmeliterordens befindet, soll wohl Orbáns christliche Gesinnung betonen. Er schwingt sich gern zum Verteidiger des christlichen Abendlands auf, und oft zitiert er den heiligen Stephan. Dabei wurde der bald 60-Jährige spät getauft. Er ist Calvinist, Ehefrau Anikó Katholikin.

Appell gegen Engstirnigkeit

Der Papst weiß um die Gefahr einer Vereinnahmung durch den nationalkonservativen Premier. In einer ersten Rede führte auch er den Namen des Nationalheiligen im Mund, um indes vor wachsendem Nationalismus und Populismus zu warnen und Orbán und Co. ins Gewissen zu reden, dass die Aufnahme von Migranten ein wahres Zeichen des Christentums sei. Solche Töne – ein Appell gegen Engstirnigkeit – sind selten geworden in Budapest. Für Orbán zählen die Bilder mit dem Papst womöglich aber mehr als dessen Worte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.04.2023)

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