Festivalkritik

Donaufestival Krems: Kabelsalat und Klimarettungskitsch

Blaue Plastikhüllen als religiöse Bekleidung: So sieht's im Toxic Temple aus, der im Forum Frohner bei der Minoritenkirche etabliert wurde.
Blaue Plastikhüllen als religiöse Bekleidung: So sieht's im Toxic Temple aus, der im Forum Frohner bei der Minoritenkirche etabliert wurde.(c) David Visnjic
  • Drucken

Nie wieder Flugscham: Der Toxic Temple macht's möglich. Das Donaufestival in Krems begann mit einer recht witzigen Intervention. Und zeigt sehr plakative Videos von Oliver Ressler in der Kunsthalle.

Neben der so traditionellen wie ikonischen Schnitzelsemmel regiert heuer ein Kleidungsstück die Szenerie beim Donaufestival: ein schleißiger blauer Plastikumhang. Er ist quasi das Messgewand einer Sekte, die ihre Zentrale bei der Minoritenkirche aufgeschlagen hat: Toxic Temple heißt sie, sie verehrt Kunststoff, Elektroschrott und radioaktiven Müll, betet für endgültige Überwindung der Natur. Ihre Ministranten tragen Kabelsalat auf den Köpfen, ihre Priester spenden Hostien aus Styropor, nehmen willigen Festivalbesuchern die Beichte ab und sprechen sie von Schuldgefühlen wegen Umweltsünden frei: Nie wieder Flugscham!

Das ist natürlich, erraten, ein Kunstprojekt, das die Strategie der subversiven Affirmation pflegt: Man bejaht scheinbar das, was man kritisieren will, und führt es durch Übersteigerung ad absurdum. New-Wave-Bands taten das, wenn sie ihre Liebe zu Plastik erklärten. Aber da war doch immer eine Spur Ambivalenz: Meinen sie's nicht doch irgendwie ernst? Und kann z. B. Polyethylen nicht wirklich schön sein? Bei Toxic Temple dagegen wird die parodistische Keule ganz treuherzig geschwungen. Trotzdem lustige Idee. Und die Musik, die sie den alten Röhren und Schaltkreisen entlocken, klingt ganz unparodistisch faszinierend: krank verzückter Industrial Free Jazz, wie man ihn gewiss auch heuer bei einem der vielen Konzerte des Donaufestivals hören wird. Am ersten Abend fesselte besonders die Britin Petronn Sphene, die teils mit Handkantenschlägen auf ihren Klangmaschinen wütete.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.