Geschichte

Glanz und Elend des Wiener Zinshauses

Prachtfassaden und Dachlandschaft: Die Lichtenfelsgasse im ersten Wiener Bezirk zeigt den beliebten Eckhaustyp und die Formensprache der Neorenaissance.
Prachtfassaden und Dachlandschaft: Die Lichtenfelsgasse im ersten Wiener Bezirk zeigt den beliebten Eckhaustyp und die Formensprache der Neorenaissance.Nora Schoeller, aus dem besprochenen Band
  • Drucken

Altbauwohnungen sind auf dem Wiener Wohnungsmarkt von heute überaus begehrt. Sie stammen oft aus der Gründerzeit, in der mit dem Bau der Ringstraße und der Stadterweiterung die große Ära des Zinshauses begann. Es prägt bis heute das Stadtbild.

Er war ein Kaiser in seinem kleinen Reich: Der Hausherr, der halb- oder vierteljährlich von Stiege zu Stiege emporging, an die Türen klopfte und den Zins forderte. Vor ihm „bückt sich der Wiener viel tiefer als vor einem Baron“, hieß es nach 1840. Da begann gerade eine neue Entwicklung: Die Wiener waren nicht mehr mehrheitlich Hausbesitzer, sondern wohnten als Mieter. Es ging nicht anders: Die Bevölkerung wuchs zu rasant. Wien erlebte alles, was mit dem Wohnungsbedarf zusammenhing: Spekulation, Rendite, drückend hohe Mieten. 1841 erschien in der „Wiener Theaterzeitung“ eine Karikatur. Sie zeigt, wie Wohnungsmieter ihr Hab und Gut mit Seilen außen an der Hausfassade hinunterlassen: „Der Hausherr wird Augen machen, wenn er erwacht und entdeckt, dass wir ausgezogen sind, ohne den Zins zu bezahlen.“

Richtig los ging der Boom dann, als mit der Stadterweiterung und dem Bau der Ringstraße um 1860 viele neue Baugründe für das Großbürgertum zur Verfügung standen. Da war von Anfang an klar: Die Neubauten dienten nicht nur dem Eigenbedarf, sondern auch dem Erwirtschaften von Kapital. So entstanden bis 1914 allein im Ringstraßenareal rund 690 Wohnhäuser, das Modell wurde in den Vorstädten übernommen. Der gesamte Wohnungsmarkt war in privater Hand. Es war die Ära des Zinshauses, das heute noch mit seinen Fassaden und Portalen das Wiener Stadtbild prägt. Mit ihm wurde „Architekturgeschichte geschrieben“, schreibt Andreas Nierhaus in einem neuen, großartig bebilderten Band über das Wiener Zinshaus.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.