Protest

Ausschreitungen bei Massendemo gegen Pensionsreform in Frankreich

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Landesweit protestieren laut Behörden rund 780.000 Teilnehmer. In Paris und anderen Großstädten gab es Festnahmen und Verletzte, die Polizei setzte Tränengas ein.

In Frankreich haben Hunderttausende Menschen am 1. Mai gegen die weiter umstrittene Pensionsreform von Präsident Emmanuel Macron demonstriert, wobei es vielfach zu gewaltsamen Ausschreitungen kam. In Paris und anderen Großstädten gab es Festnahmen und Verletzte, die Polizei setzte Tränengas ein. Demonstranten setzten Autos und Mülltonnen in Brand und warfen Scheiben von Banken und Geschäften ein.

Die Behörden sprachen am Abend von landesweit 782.000 Teilnehmern, davon alleine 112.000 in Paris. Nach Gewerkschaftsangaben waren es 2,3 Millionen Menschen.

Rund 30 Festnahmen in Paris

In Paris kam es am Nachmittag zu ersten Auseinandersetzungen und 30 Festnahmen. In der Hauptstadt wurden Polizisten von schwarz gekleideten Demonstranten mit Gegenständen beworfen, Leihräder in Brand gesetzt und Bushaltestellen demoliert, Schaufensterscheiben gingen zu Bruch. Auch im südfranzösischen Toulouse gab es Gewaltszenen. In Lyon wurden mehrere Fahrzeuge angezündet und Geschäftsräume verwüstet. In Nantes im Westen Frankreichs warfen Demonstranten ebenfalls Wurfgeschosse Richtung Polizei, diese setzte Tränengas ein. Auch in weiteren Städten gab es Steinewürfe und Brandstiftungen.

Die überwiegende Mehrheit der Demonstranten sei natürlich friedlich geblieben, sagte Innenminister Gérald Darmanin. Aber vor allem in Paris, Lyon und Nantes seien die Ordnungskräfte extrem gewalttätigen Randalierern gegenübergestanden, die mit einem Ziel gekommen seien: Polizisten zu töten und das Eigentum anderer anzugreifen. In Paris sei ein Polizist schwer verletzt worden, er habe Verbrennungen durch einen Molotowcocktail erlitten. "Diese Gewalt ist vorbehaltlos zu verurteilen." Videobilder aus verschiedenen Städten zeigten massive Sachbeschädigungen.

Landesweit gab es bis zum späten Nachmittag 180 Festnahmen, 53 davon in Paris, berichtete der Sender BFMTV unter Verweis auf die Behörden. In Lyon seien 16 Polizisten und 6 Demonstranten verletzt worden. In der Hauptstadt und weiteren Großstädten setzte die Polizei erstmals Drohnen zur Überwachung der Lage ein.

Zu den landesweiten Protesten am Tag der Arbeit am Montag aufgerufen hatten die Gewerkschaften. Die Vorsitzende der linksgerichteten Gewerkschaft CGT, Sophie Binet, kritisierte, Macron habe sich durch die Pensionsreform isoliert. "Die Exekutive kann nicht ohne die Unterstützung des Volkes regieren", sagte sie vor den Pariser Protesten. Ihre Gewerkschaft habe noch nicht entschieden, ob sie das Angebot der Regierung zu Gesprächen über andere arbeitsmarktpolitische Themen annehmen werde.

Gewerkschaftschef zeigt sich gesprächsbereit

Der Chef der reformorientierten Gewerkschaft CFDT, Laurent Berger, warf Macrons Regierung vor, sie habe sich gegenüber den Forderungen der Menschen bei den massiven Protesten in den vergangenen Monaten taub gestellt. Er zeigte sich allerdings gesprächsbereit. "Wir müssen andere Vorschläge zu Gehältern und Arbeitsbedingungen auf den Tisch bringen", sagte er dem Sender BFM TV.

Macrons Mitte-Regierung würde die inzwischen beschlossene Pensionsreform am liebsten als abgehakt betrachten, die Gewerkschaften und Teile der Opposition protestieren aber weiter, um deren Umsetzung ab 1. September zu verhindern. Die letzten landesweiten Proteste gegen die Pensionsreform hatte es vor zwei Wochen gegeben, nachdem Macron die Anhebung des Antrittsalters von 62 auf 64 Jahre in Kraft gesetzt hatte. Für Unmut sorgt weiterhin, dass die Regierung die Reform ohne Abstimmung im Parlament unter Nutzung eines Sonderparagrafen durchdrückte.

Reform laut Regierung notwendig

Macron und seine Regierung argumentieren, die Reform sei notwendig, damit Frankreichs großzügiges Pensionssystem nicht zusammenbricht. Die Gewerkschaften dagegen meinen, dass dies auch mit anderen Mitteln erreicht werden könne, etwa durch eine höhere Besteuerung von Reichen oder durch tiefgreifende Änderungen des Pensionssystems. Es wird zudem befürchtet, dass die weit verbreitete Unzufriedenheit über die Reformpläne Macrons politische Arbeit längerfristig erschweren könnte und den Rechtsextremen Auftrieb geben könnte. Die Ratingagentur Fitch hatte die Kreditwürdigkeit Frankreichs am Freitag um eine Stufe auf "AA-" gesenkt. Die Möglichkeit eines politischen Stillstands und sozialer Unruhen stellten Risiken für Macrons Agenda dar, hieß es zur Begründung.

Die Frage ist nun, ob die Demonstrationen am 1. Mai die letzten großen Kundgebungen gegen die Pensionsreform sein werden. Zuvor bereits waren die Teilnehmerzahlen rückläufig, und auch ein Aufbrechen der gemeinsamen Front der Gewerkschaften zeichnet sich ab.

(APA)

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