Der Eklat blieb aus, die Euphorie aber ebenso: Auf dem Wiener Rathausplatz rief die SPÖ-Vorsitzende zur Einigkeit auf, die sie zuletzt selbst infrage gestellt hatte.
Wien. Ein Bild mit Symbolcharakter entstand da auf dem Rathausplatz in Wien vor einem Jahr, als Michael Ludwig beim SPÖ-„Maiaufmarsch“ 2022 seine Hand schützend über Pamela Rendi-Wagner hielt. Den Anlass gaben damals das nieselige Wetter und ein benötigter Regenschirm. Doch obwohl der Wonnemonat am gestrigen Montag umso mehr in Bilderbuchmanier startete und auf dem Rathausplatz, anders als im Vorjahr, tatsächlich wieder Zehntausende Menschen mit Fahnen, Trommlern, Dudelsäcken oder Motorrädern begeistert Einzug hielten, hätte Rendi-Wagner den symbolischen Schutz mehr denn je brauchen können.
Die Kritik an der Parteiführung, von der man damals gehofft hat, dass sie infolge steigender Umfragewerte ihren Zenit überschritten haben könnte, hat sich ein Jahr später zum erbittertsten Machtkampf in der Geschichte der heimischen Sozialdemokratie entwickelt. Das feierliche Hochamt am Tag der Arbeit fand heuer inmitten dieses Machtkampfs statt. Noch bis 10. Mai sind rund 140.000 SPÖ-Mitglieder aufgerufen, über den Parteivorsitz abzustimmen. Rendi-Wagners Erzrivalen, Hans Peter Doskozil und Andreas Babler, stellen sich ebenfalls zur Wahl. Wie sie ausgehen wird, ist derzeit völlig offen. Die ideologischen Bruchlinien, entlang derer sie sich duellieren, sind es weniger: Establishment oder Basis, rechts oder links, Akademiker oder Arbeiter und, so schmerzhaft das für feministische Sozialdemokraten sein mag, Männer oder Frauen.