Gastkommentar

Das Verbrechen auf die Bühne bringen

Tag der Pressefreiheit. Warum ich die Ermordung von Daphne Caruana Galizia ins Scheinwerferlicht rücken musste.

Der Autor

Hermann Grech ist maltesischer Drehbuchautor, Regisseur und Journalist. Am heutigen Internationalen Tag der Pressefreiheit präsentieren die Delegation der EU und die Botschaft und Ständige Vertretung Maltas im Wiener Theater Akzent die erste Theaterproduktion, die den Mord an der Journalistin Daphne Caruana Galizia thematisiert. Die Vorstellung ist mit kostenlosen Zählkarten öffentlich zugänglich.
Im Anschluss daran gibt es eine Podiumsdiskussion, moderiert von Stephanie Liechtenstein, mit Matthew Caruana Galizia, Leiter der Daphne Caruana Galizia Foundation, Nabeelah Shabbir, International Center for Journalists, und Thomas Seifert, „Wiener Zeitung“. Kostenlose Karten können im Theater oder online unter www.akzent.at reserviert werden.

Der 16. Oktober 2017 um 15 Uhr ist für alle, die in Malta leben, einer dieser „Wo warst du“-Momente. Zu dieser Stunde an jenem Tag wurde der Sprengsatz gezündet, den Kriminelle in Daphne Caruana Galizias Auto platziert hatten. „Daphne“ war in Malta kein unbeschriebenes Blatt und allen bekannt. Ihr Blog „Running Commentary“ war pointiert, brutal, humorvoll, mit einem Hauch von Klatsch. Sie wurde aber nicht nur viel bewundert, sondern auch verachtet. Sie kritisierte gnadenlos, insbesondere jene, die Verbindungen zur Labour-Partei hatten. Sie hatte viele Feinde, weshalb die Liste möglicher Verdächtiger zum Zeitpunkt ihrer Ermordung sehr lang war.

Wir waren beeindruckt, als die Auftragsmörder innerhalb weniger Wochen gefasst wurden. Was wir zu diesem Zeitpunkt nicht wussten, war, dass im Hintergrund ein Plan entwickelt wurde, der die Ermittlungen verschleiern sollte, um die Auftraggeber des Mordes zu schützen. Als der Name eines prominenten Unternehmers als Hauptverdächtiger auftauchte, wurde klar, dass wir es mit völlig neuen Spielregeln zu tun hatten. Der Unternehmer hatte enge Kontakte zum Kabinett des damaligen Premierministers, Joseph Muscat, der in Malta aufgrund seiner Wahlerfolge für seine Partei einen gottähnlichen Status genießt.

Ich muss zugeben, dass Theater das Letzte war, woran ich dachte, als es für die Verdächtigen, die mit Daphnes Mord in Verbindung standen, immer enger wurde. Wir waren eine kleine Gruppe von Journalisten, die Tag und Nacht daran arbeitete, den Verschwörungen hinter den Kulissen auf den Grund zu gehen. Die Ereignisse, die sich im Zuge der Mordermittlungen an einem Tag im November 2019 entfalteten, zwangen mich jedoch, meinen Theater-Ruhestand zu beenden. Es gab täglich Proteste auf den Straßen, Politiker beugten ihre Köpfe in Scham, die Enthüllungen in den Medien waren unfassbar. Das Stück „They Blew Her Up“ ist schamlos politisch – es geht um Korruption, Kleptokratie und Freunderlwirtschaft, die nicht nur auf Malta ein Problem darstellen. Es war nicht leicht, die grausamen Einzelheiten zu einem Narrativ zusammenzufügen.

Ich werde oft gefragt, warum ich mithilfe des Theaters Geschichten aus dem wirklichen Leben verarbeite, wenn ich doch als Journalist und Redakteur schon genug mit Dramen aus dem wirklichen Leben zu tun habe. Ich glaube, dass ein Theaterstück, selbst wenn es teils erfunden ist, eindringlicher als die Realitäten sein kann, die wir in den Schlagzeilen lesen.

Es betrifft nicht nur Malta

Als wir das Stück 2021 in Malta aufführten, blieben viele Kritiker von Daphne in der Annahme fern, die Inszenierung wäre eine Verherrlichung der Schriftstellerin, obwohl das Stück in Wirklichkeit auch ihre Schwächen aufzeigt. Diese Geschichte geht über die Mittelmeerinsel Malta hinaus, da weltweit Journalisten weiterhin angegriffen, getötet und verhöhnt werden. Es ist unsere Pflicht zu analysieren, zu hinterfragen und zu untersuchen. Für diese Aufgabe sind Journalismus und Kunst die perfekten Mittel.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.05.2023)

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