Management

Was CEOs vom viktorianischen Zeitalter lernen können

Queen Victoria
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Kolumne "Hirt on Management": Folge 200.

Wenn wir vom Viktorianischen Zeitalter sprechen, dann sprechen wir typischerweise vom Zeitabschnitt der britischen Geschichte der Regierung Königin Victorias von 1837 bis 1901.

Das viktorianische Zeitalter war turbulent: industrielle Revolution, enormer Aufstieg der britischen Wirtschaft, enormer technischer Fortschritt, dramatische Veränderung der Gesellschaft und Sozialstruktur, hohe soziale Spannungen, gleichzeitig aber auch weitreichende soziale, gesetzliche und politische Reformen, Hungersnot in Irland, Kolonialismus und Ausbeutung überseeischer Gebiete, um nur ein paar der großen Entwicklungen zu nennen.

Ihr Kolumnist hat sich in den letzten Wochen etwas intensiver mit dem viktorianischen Zeitalter beschäftigt und sich jetzt die Frage gestellt, was Manager und Managerinnen aus dieser Periode für heute lernen können.

Natürlich gibt es zahlreiche Lektionen, die aus den verschiedensten, hochdynamischen Entwicklungen dieser Periode, auf allen Ebenen gezogen werden können.

Aber zwei ganz wichtige Entwicklungen erscheinen mir, insbesondere im Vergleich zu anderen Ländern, besonders spannend und interessant.

Evolution statt Revolution

Erstens, die zunehmende Demokratisierung und Erweiterung des Wahlrechts und damit der Mitbestimmung im britischen Parlament.

Dieser Prozess war kein reibungsloser, sondern ein sehr umstrittener, insbesondere, weil der landbesitzende Adel Macht zugunsten der Mittelklasse und der Arbeiterschaft aufgeben musste.

Aber es kam, trotz dieser massiven Veränderungen, zu keiner Revolution, während es in Frankreich, z.B. zur selben Zeit drei Revolutionen gab.

In den führenden politischen Schichten gab es einerseits, inhaltlich überzeugte Akteure, die eine Veränderung und Demokratisierung der Gesellschaft für wichtig und richtig hielten. Zwei führende Beispiele sind hier die Premierminister Gladstone und Disraeli.

Andererseits, gab es genug politische Akteure, die sich aus pragmatischen Gründen von der Notwendigkeit einer Veränderung überzeugen ließen.

Dadurch konnten letztendlich immer wieder Mehrheiten für Reformen im entscheidenden Gremium, nämlich dem britischen Parlament, insbesondere dem Unterhaus, gefunden werden.

Diese Mischung zwischen Idealismus und Pragmatismus ist, über die Jahrhunderte, immer wieder ein auffallendes Wahrzeichen der britischen Geschichte gewesen.

Der traurige Sieg der Gentlemen

Die zweite, sehr interessante Entwicklung ist der Aufstieg und Niedergang der britischen Industrie, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts immer mehr in Bedrängnis durch die Konkurrenz der Deutschen und Amerikaner kam.

Der Niedergang der britischen Industrie, der sich dann natürlich im 20. Jahrhundert massiv fortsetzte, aber eben bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begonnen hatte, wurde durch einen selbstgemachten, internen Faktor massiv verschärft.

In Großbritannien entstanden nur sehr wenige Unternehmerdynastien, im Vergleich zu Deutschland und den USA, wo zahlreiche Unternehmen, wenn auch viele börsennotiert, von Familiendynastien, die auch direkt in die Führung des Unternehmens involviert waren, dominiert und weiter entwickelt wurden.

In Großbritannien hingegen, war es der große Ehrgeiz der meisten erfolgreichen Unternehmer, dass ihre Söhne an die Eliteschulen des Adels (Eton und Harrow) gehen und sich den Lebensstil des landbesitzenden Adels aneignen, also der „idle classes“, für die Arbeit etwas war, was andere für Sie erledigen und Erwerbsarbeit und kaufmännische Aktivitäten insgesamt einen plebejischen Beigeschmack hatten und sich für einen Gentleman nicht schickten.

Die überragende Rolle der Ideen, Kultur, Haltungen und Einstellungen

Der wesentliche Punkt und die Gemeinsamkeit dieser beiden Entwicklungen ist, welche überragende Rolle Ideen, Kultur, Haltungen und Einstellungen für die Entwicklung eines Landes spielen und auch für die Entwicklung von Unternehmen.

Ideen, Kultur, Haltungen und Einstellungen gestalten unsere Welt. Es gilt das Prinzip der doppelten Schöpfung. Alles wird zuerst im Geist geschaffen, bevor es in der Realität geschaffen wird.

Manager und Managerinnen, die ihre Welt gestalten und relevant und wirksam sein wollen, müssen die Macht der Ideen, Kultur, Haltungen und Einstellungen bei sich selber und bei anderen erkennen und entsprechend beachten und nutzen. Culture eats strategy for lunch.

Das Wichtigste in Kürze

Manager und Managerinnen, die ihre Welt gestalten und relevant und wirksam sein wollen, müssen die Macht der Ideen, Kultur, Haltungen und Einstellungen bei sich selber und bei anderen erkennen und entsprechend beachten und nutzen. Culture eats strategy for lunch.

In der nächsten Kolumne beschäftigen wir uns mit der Frage, wie Sie Akquisitionen zu einem Schlüsselelement für Ihren unternehmerischen Erfolg machen.

Schicken Sie Ihre Fragen an Michael Hirt an: karrierenews@diepresse.com

Die Fragen werden anonymisiert beantwortet.

Ausblick: Die nächste Kolumne von Michael Hirt erscheint am 18. Mai 2023 zur Frage: Wie Sie Akquisitionen zu einem Schlüsselelement für Ihren unternehmerischen Erfolg machen.

Hier finden Sie die gesammelten Kolumnen.

Michael Hirt ist Managementexperte und -berater, Executive Coach, Keynote Speaker und Buchautor. Hirt verhilft Führungskräften zu außergewöhnlichen Leistungs- und Ergebnissteigerungen, mit hoher Auswirkung auf den Erfolg ihres Unternehmens. Er studierte in Österreich, den USA (Harvard LPSF) und Frankreich (INSEAD MBA) und ist weltweit tätig.

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